Lotto-Pokal: Hamburger Berg haut auch Heidgraben raus

Immer wieder klärte der 2,02 Meter große Morike Sako (oben), Ex-Profi in Reihen des FC Hamburger Berg, hohe Bälle vor den Heidgrabenern; hier hat Martin Schwabe (unten) das Nachsehen.
(Foto-Credit: Johannes Speckner)

Den Zutritt zur Sportanlage an der Wichmannstraße verwehrten die Ordner, die die Verantwortlichen des FC Hamburger Berg (A-Kreisklasse 8) benannt hatten, am Sonntagmittag vor dem Anpfiff des Lotto-Pokal-Viertrunden-Nachholspiels gegen den Heidgrabener SV (Bezirksliga 1) allen Personen, die nicht auf dem Spielberichtsbogen standen – schließlich hatten sie vorab kommuniziert, dass die Partie aufgrund der Corona-Beschränkungen unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden wird. Einzig Karsten Schümann hatte Glück: „Als stellvertretender Fußball-Abteilungsleiter des Heidgrabener SV wurde mir Eintritt gewährt.“ 20 weitere Interessierte verfolgten das Duell durch die Zäune, die das Sportgelände von der Wichmannstraße trennen.

Sie sahen, wie der Hamburger Berg nach einem 4:0 beim FC Hamburg (A-Kreisklasse 9) in der Ersten Runde und einem 3:0 im Elfmeterschießen gegen den Eimsbütteler TV (Landesliga 3) in Runde zwei mit einem 2:1 auch seine drittes Pokal-Aufgabe in dieser Serie gewann. Da es saisonübergreifend sogar der vierte Pokal-Sieg am Stück war – im Erstrunden-Duell der vergangenen Spielzeit war der Bezirksligist Glashütter SV mit 3:0 abgefertigt worden –, stellt sich die Frage, ob das Weiterkommen der Elf von FCH-Coach Gerd Kruspe überhaupt noch als Sensation bezeichnet werden kann. „Ich bin auf jeden Fall sehr, sehr stolz auf meine Mannschaft“, betonte Kruspe, während sein Heidgrabener Trainerkollege Ove Hinrichsen haderte: „Wir haben zu keiner Zeit das gezeigt, was wir eigentlich können, und unsere Stärken nicht ausspielen können.“

Das lag sicher auch daran, dass im vierten Anlauf auf dem Grandplatz an der Wichmannstraße in Hamburg-Bahrenfeld gekickt werden konnte. War das Geläuf am 7. November 2021, am 21. November 2021 und am 12. Dezember 2021 jeweils noch aufgrund von vorherigen Regenfällen für unbespielbar erklärt worden, so hatte Schiedsrichter Jan Meisel (vom Bahrenfelder SV 19) dieses Mal keine Einwände. Andernfalls wäre die Partie auf den Kunstrasenplatz im Sternschanzen-Park verlegt worden. „Dort hätten wir uns sicher leichter getan“, vermutete Hinrichsen, dessen Elf es auf dem Grand, auf dem an vielen Stellen schon Rasen wächst, sehr schwer hatte. Zweimal bejubelten die Hausherren ihr vermeintliches Führungstor – zweimal hob Schiedsrichter-Assistent Robert Friedhelm Karus (vom TSV Holm) seine Fahne. „Beim ersten Mal war es Abseits und beim zweiten Mal ein Handspiel eines Spielers von Hamburger Berg“, erklärte Karus auf Nachfrage seine Einwände.

Während die Akteure der Heim-Elf naturgemäß vehement protestierten, freute sich der hinter dem Mann an der Linie stehende Karsten Schümann über dessen Entscheidungen. Und kurz darauf konnte er einen Treffer seines Sohnes Philippe Schümann bejubeln: Nachdem der HSV-Torjäger den Ball von Ricardo Gomes bekommen hatte, schoss er ihn von halblinks aus in das lange Eck (32.). Für Hamburger Berg war dies der erste Gegentreffer im Pokalwettbewerb – für den das Team allerdings in den Spielzeiten 2018/2019 und 2019/2020 nicht gemeldet worden war – seit dem 8. August 2017, als es, damals noch auf dem Jahnplatz an der Memellandallee, ein heftiges 0:8 ebenfalls gegen Glashütte gegeben hatte. Beinahe wäre Gegentreffer Nummer zwei sogleich gefolgt, doch als Tobias Brandt abzog, wurde der Ball erst noch von der Fußspitze eines Verteidigers und dann von FCH-Keeper Patrick Antwi entscheidend abgewehrt (35.).

Statt 0:2 hieß es kurz darauf 1:1, was wiederum von Diskussionen begleitet wurde. Bei einer Flanke der Hamburger reklamierten die Gäste-Akteure vehement auf Handspiel eines Angreifers. Doch dieses Mal blieb die Fahne von Karus unten und nach dem folgenden Einwurf waren die Heidgrabener nicht auf der Höhe dies Geschehens. Dies nutzte Morike Sako, um zum 1:1 einzuschieben (37.). Jener Sako, der vom Januar 2007 bis zum Juni 2010 für den FC St. Pauli 14 Mal in der alten Regionalliga Nord (zwei Tore), 57 Mal in der Zweiten Bundesliga (sechs Treffer) und dreimal im DFB-Pokal am Ball gewesen war. Nachdem Sako im Herbst 2020 bereits vier Kreisklassen-Einsätze für den Hamburger Berg absolviert hatte, war es nun sein erster Auftritt in der aktuellen Saison – den der inzwischen 40-Jährige gleich mit seinem ersten Torerfolg im FCH-Trikot krönte (38.). Dieses 1:1 hatte bis zur Pause Bestand.

Im zweiten Durchgang versuchten die Gäste, schneller zu spielen – alleine an der Umsetzung dieses Plans haperte es auf dem immer weicher und somit auch tiefer werdenden Grandplatz. Mit diesen Bedingungen sind Kruspes Schützlinge bestens vertraut, weshalb sie auch die erste Chance nach dem Seitenwechsel besaßen, bei der Rashid Faisal aber von halblinks aus knapp am langen Eck vorbei zielte (48.). Auf der Gegenseite schnupperten die Gäste an der erneuten Führung, als Serge Haag rechts vor dem Strafraum viel Platz hatte und satt abzog, der Ball aber vom linken Pfosten ins Feld zurücksprang (52.). In der Folge wurde es auf dem Platz unruhiger und zwischen den Spielern beider Teams entwickelten sich mehr und mehr Diskussionen. Antwi fragte in Richtung der HSV-Akteure in gebrochenem Deutsch: „Bist du Mädchen?“ Derweil verstrickte sich Sako in verbale Duelle mit den Heidgrabenern; als der 2,02-Meter-Hüne den gegnerischen Kapitän Fabian Doell wegschubste, hatte er Glück, dass Meisel dafür nur „Gelb“ zückte (61.).

Dass der Unparteiische auch die Rote Karte dabei hatte, zeigte sich kurz darauf, weil er eine Aktion von Fabian Grabke an Ebrima Touray als „Notbremse“ auslegt und den HSV-Linksverteidiger vom Platz stellte. Nach Intervention von Schiedsrichter-Assistent Detlef Kowitz, der Meisel möglicherweise daran erinnerte, dass die so genannte Dreifach-Bestrafung vom fußball-Weltverband bereits 2016 abgeschafft worden war, und minutenlangen Diskussionen wurde Grabke schließlich vom Unparteiischen auf den Platz zurückbeordert und stattdessen mit „Gelb“ bedacht. Den ebenfalls verhängten und unstrittigen Elfmeter verwandelte Najimu Mohammed flach rechts zum 2:1 – mit dem Glück des Tüchtigen, denn Gäste-Keeper Krystof Barth war in die richtige Ecke gesprungen und hatte den Ball mit seiner linken Hand nur um Zentimeter verpasst (67.). „Als ich Hamburger Berg beobachtet hatte, wurden zwei Elfmeter genau in diese Ecke geschossen“, erklärte Hinrichsen, dass er seinem Schlussmann vorab gesagt hatte, wohin er springen müsse.

Trotzdem lag der vermeintliche Außenseiter nun in seinem ersten Spiel des Jahres und seit dem 28. November 2021 (2:4 beim ESV Einigkeit Wilhelmsburg II mit sechs anderen Akteuren in der Start-Elf) erstmals in Front. Dies kam den Hausherren zugute, denn sie verteidigten in der Folge sehr abgeklärt und hatten mit Sako einen Mann, der mit all der Erfahrung aus seiner Zeit am Millerntor sowie im englischen, schweizerischen und französischen Profi-Fußball das Spielgerät nicht nur sicher verteilte, sondern auch viele hohe Bälle wegköpfte. Und angesichts der immer schwierigerer werdenden Platzverhältnisse sowie ausbleibenden spielerischen Ideen war das Stilmittel der hohen, langen Bälle, die Antwi aber immer wieder sicher wegfing, nahezu die einzige Angriffsvariante der Heidgrabener. „Eine richtige Chance, noch zum Ausgleich zu kommen, konnten wir uns nach dem Rückstand nicht mehr erspielen“, gab Hinrichsen nach dem Abpfiff zu.

So war der A-Klassen-Vertreter dem entscheidenden dritten Tor näher als der Gast aus dem Kreis Pinneberg dem 2:2. Die beste Gelegenheit zum 3:1 vergab Faisal, der sich im HSV-Strafraum drehen konnte und das linke untere Eck anvisierte, aber am stark reagierenden Barth scheiterte (80.). Und als die Heim-Elf einen Bilderbuch-Konter vortrug, jagte Mohammed Sumaila den Ball überhastet in die dritte Etage (88.). Auf der Gegenseite wurde ein Flachschuss des eingewechselten Martin Schwabe sichere Beute von Antwi (82.), von einem katastrophalen Abstoß der Hamburger konnte Brandt nicht profitieren (89.) und Tim Robin Brinke zielte klar rechts vorbei (90.+3). Kurz nachdem Philippe Schümann eine Flanke aus dem rechten Halbfeld per Kopf nicht mehr gen Gehäuse lenken konnte (90.+5), konnten die FCH-Spiele die Arme in die Höhe reißen und zumindest ein „Pokal-Sensatiönchen“ feiern.

Damit blieb es den wenigen Zuschaurn verwehrt, ein Elfmeterschießen zu sehen, in dem Antwi an seine spektakulären Paraden vom 8. August 2021, als er die Versuche aller (!) vier ETV-Schützen Lukas Wentzel, Mert Erdal, Lukas Raphael und Jeffrey Ekue Mensah pariert hatte, hätte anknüpfen können. Im Achtelfinale (noch nicht terminiert) empfängt der letzte im Pokalwettbewerb verbliebene A-Kreisklassen-Vertreter den Harburger SC (Bezirksliga 5). Sollte die Partie an der Wichmannstraße stattfinden können, wäre es keine allzu große Überraschung, wenn Kruspes Elf auch ihr fünftes Lotto-Pokal-Spiel in Folge gewinnen und einem weiteren Bezirksligisten den Zutritt zur nächsten Pokalrunde verwehren würde.

(Johannes Speckner)

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