
Wenn in der Ersten Bundesliga das Preis-Leistungs-Verhältnis über die Abschlussplatzierungen entscheiden würde, also der finanzielle Aufwand für Ablösesummen, Handgelder, Spieler- und Trainergehälter mit den erreichten Punkten gegengerechnet werden würde, hätte der Hamburger SV die Bundesliga-Saison 2014/2015 als abgeschlagenes Schlusslicht abgeschlossen. Zur Erinnerung: Um nach dem im Sommer 2014 erst in der Relegation gesicherten Klassenerhalt eine sportlich bessere Zukunft zu haben, investierte der HSV laut „Transfermarkt.de“ in der Sommertransferperiode 28,3 Millionen Euro in neue Spieler, im Winter kamen noch einmal vier Millionen Euro dazu. Dem standen immerhin Transfererlöse in Höhe von 23,15 Millionen Euro gegenüber. Auch aufgrund dieser Neuzugänge und gestiegenen Personalkosten wuchs der Schuldenberg weiter an und der HSV hätte, wenn er am Montagabend in die Zweite Bundesliga abgestiegen wäre, Bedingungen und Auflagen der Deutschen Fußball-Liga erfüllen müssen, um eine Zweitliga-Lizenz zu bekommen ‒ doch das „Horrorszenario Zweite Liga“ blieb dem HSV am Ende wieder erspart.
Trotzdem war auch die Saison 2014/2015 wieder eine Spielzeit mit zahlreichen Niederlagen und Negativrekorden ‒ hier sei vor allem an die lang anhaltende Torflaute sowie die Tatsache, dass der HSV zum zweiten Mal in Folge innerhalb von einer Spielzeit mehr als einen Trainerwechsel durchführte, gedacht. Neben der Offensiv- und Kreativabteilung schienen also auch die handelnden Personen immer wieder die falschen Entscheidungen zu treffen. Hatte es in der Saison 2013/2013 mit Thorsten Fink, Bert van Maarwijk und Bruno Labbadia bereits drei verschiedene Übungsleiter gegeben, waren es nun mit Slomka, Joe Zinnbauer, Peter Knäbel und Bruno Labbadia sogar vier (!), sofern man das erfolglose Intermezzo des seltsam emotionslos anmutenden Knäbel, der bei den „Rothosen“ eigentlich als Direktor Profifußballs in Lohn und Brot steht, auf der Trainerbank mitzählt.
Der HSV schien vor allem in den letzten Wochen schon mehrmals so gut wie abgestiegen zu sein. So etwa nach dem 29. Spieltag, als es im ersten Spiel nach Labbadias Rückkehr eine 0:1-Niederlage im Nord-Derby beim SV Werder Bremen gab, die das Absinken auf den letzten Platz mit vier Punkten Rückstand auf den rettenden 15. Rang zur Folge hatte. Oder nach dem vorletzten Spieltag, als eine 1:2-Niederlage beim VfB Stuttgart ‒ die nebenbei bemerkt deutlich höher hätte ausfallen müssen ‒ dazu führte, dass der HSV den Klassenerhalt nicht mehr in der eigenen Hand hatte. Oder auch am vergangenen Donnerstagabend im Relegations-Hinspiel gegen den Karlsruher SC, als die KSC-Spieler Manuel Torres und Dimitrij Nazarov innerhalb von 20 Sekunden gleich zweimal die Latte des HSV-Tores trafen und dabei jeweils nur um Zentimeter das zwischenzeitliche 0:2 verpassten ...
Am Montagabend schien es lange so zu sein, als ob das Glück, das der HSV sowohl in den letzten Bundesliga-Partien (hier sei vor allem Gojko Kacars später und möglicherweise irregulärer Treffer zum 1:1-Ausgleich gegen den SC Freiburg genannt) als auch im Relegations-Hinspiel hatte, aufgebraucht sein. Im Relegations-Rückspiel in Karlsruhe rannten die Hamburger zwar immer wieder an, sie konnten sich gegen eine gut stehende KSC-Abwehr aber kaum klare Chancen erspielen. Dies änderte sich erst nach dem Führungstor der Badener: Pierre-Michel Lasogga traf die Latte, Dennis Diekmeier demonstrierte beim Abpraller einmal mehr seine Torungefährlichkeit, Cleber Reis köpfte knapp vorbei und ein Kopfball von Johan Djourou wurde von einem KSC-Verteidiger noch auf der Torlinie geklärt. So stand der HSV mit mehr als anderthalb Beinen in der Zweiten Bundesliga!
Ein Lied leicht abgewandelt, könnte man sagen: Und wenn du denkst, es geht nichts mehr, dann kommt von irgendwo ein Schiedsrichter-Pfiff her: Referee Manuel Gräfe (vom FC Hertha 03 Zehlendorf) sprach den Hamburgern kurz nach dem Beginn der vierminütigen Nachspielzeit einen Freistoß zu, als ein 22-Meter-Schuss von Slobodan Rajkovic dem Karlsruher Jonas Meffert, der sich kurz vor der Strafraumgrenze stehend wohlgemerkt weggedreht hatte, an seinen Oberarm sprang. Es ist in der Vergangenheit schon über viele Handelfmeter und Freistöße, die für vermeintliche Handspiele verhängt wurden, diskutiert worden. Fakt ist: Hätte Gräfe diesen Freistoß nicht gepfiffen, hätte sich kein Hamburger darüber beschweren können. Nun zirkelte Marcelo Diaz den 18-Meter-Freistoß herrlich oben links in den Winkel ‒ 1:1, der wieder einmal vermeintlich schon abgestiegene HSV lebte noch und das Glück war spät, aber gerade noch rechtzeitig zu den „Rothosen“ zurückgekehrt.
In der damit fälligen 30-minütigen Verlängerung trugen die Karlsruher mehr Angriffe vor, als sie es in den 90 vorherigen Minuten getan hatten. Dabei traten einige Schwachstellen in der Hamburger Defensive zutage, doch HSV-Keeper Rene Adler wehrte ein Geschoss von Nazarov noch ab (103.). So schien das Elfmeterschießen als des Dramas definitiv letzter Akt unausweichlich zu sein ‒ bis zur 115. Minute. Dann spielte Zoltan Stieber den Ball zu Cleber, der von links weiter leitete zu Nicolai Müller, der das Zusammenspiel aller drei Hamburger „Joker“ krönte, indem er zum 1:2 einschob. Respekt, Herr Labbadia ‒ das nennt man dann wohl ein gutes Händchen! Die Karlsruher hätten nun noch zweimal treffen müssen, um die Relegation für sich zu entscheiden. In der 123. Minute wehrte Adler einen (Konzessions?)Handelfmeter, den Djourou verwirkt haben soll, von Rouwen Hennings stark ab.
So war es Adler, der im Hinspiel gegen den gebürtigen Bad Oldesloer und Ex-HSVer Hennings noch das Nachsehen gehabt hatte, zu verdanken, dass die „Rothosen“ sich anders, als vor Jahresfrist gegen die SpVgg Greuther Fürth (0:0 daheim und 1:1 auswärts), nicht nur aufgrund der Auswärtstorregel in der Relegation behaupteten. Den Verbleib in der Ersten Bundesliga feierten die Spieler, die Verantwortlichen und die mitgereisten Anhänger im Wildpark-Stadion frenetisch. Der „Dino“ lebt weiter und behält sein einziges Alleinstellungsmerkmal, als Bundesliga-Gründungsmitglied nie abgestiegen zu sein. Bleibt zu hoffen, dass die Verantwortlichen zukünftig bessere Entscheidungen treffen ‒ und Labbadia an seine Punktequote (aus sechs Spielen der regulären Bundesliga-Saison holte er zehn Punkte, was hochgerechnet auf 34 Partien beachtliche 57 Zähler und in dieser Spielzeit den fünften Tabellenplatz bedeutet hätte) anknüpfen kann ...
Erste Bundesliga Saison 2015/2016
1. FC Bayern München (M)
2. VfL Wolfsburg
3. VfL Borussia Mönchengladbach
4. TSV Bayer 04 Leverkusen
5. FC Augsburg
6. FC Schalke 04
7. Borussia Dortmund
8. TSG 1899 Hoffehheim
9. SG Eintracht Frankfurt
10. SV Werder Bremen
11. 1. FSV Mainz 05
12. 1. FC Köln
13. Hannover 96
14. VfB Stuttgart
15. Hertha BSC Berlin
16. Hamburger SV
17. FC Ingolstadt 04 (N)
18. SV Darmstadt 98 (N)