Zwei Aufstiege und drei Titelgewinne – davon die 2013 errungene Hamburger Meisterschaft als Höhepunkt –, aber auch drei Abstiege, ein Rückzug aus der Oberliga am 11. Dezember 2014 sowie sage und schreibe 21 (!) Trainerwechsel innerhalb von 17 Jahren. Das ist die Bilanz des FC Elmshorn, der 2004 durch die Fusion zwischen Rasensport Elmshorn und dem TSV Fortuna Langelohe entstand. Der 22. Übungsleiter, der sich auf der Kommandobrücke versucht, ist Kadir Kilic: Er wurde zu Beginn des neuen Jahres vom Reserve- zum Liga-Coach befördert, nachdem Hesham Hassan, der erst im Sommer 2021 das Traineramt von Junior Isaac Ngole Ndame übernommen hatte, zurücktrat.
Dies begründete Hassan, der in Hamburg-Harburg lebt, mit „den verschlechterten Trainings- und Rahmenbedingungen“ nach der Aufgabe des Sportplatzes Wilhelmstraße. Doch nicht nur an der Seitenlinie, wo Kilic (33) von Assistenzcoach Erhan Yilmaz und Torwart-Trainer Hans-Dieter Giesbrecht unterstützt wird, sondern auch auf dem Spielfeld gibt es bei den Krückaustädtern viele neue Gesichter. „Wir haben zahlreiche Spieler verloren“, musste Uwe Wölm Vizepräsident und Team-Manager des FCE, am Sonntag im Gespräch mit SportNord konstatieren. Der 66-Jährig fügte hinzu, dass aktuell „neun Abgängen, von denen zwei Akteure allerdings nach Auffassung der Vereinsführung noch bis zum Saisonende unter Vertrag sind, elf Neuzugänge gegenüberstehen“ würden.
Ausgelöst wurde die hohe Fluktuation durch die Demission des Sportlichen Leiters Daniel Witt. Nach dem am 1. Oktober 2021 errungenen 5:1-Kantersieg gegen den Titelanwärter TBS Pinneberg war der 34-Jährige noch geradezu euphorisiert („Unsere Mannschaft wird noch von sich reden machen, sie muss sich in dieser Liga vor keinem Gegner verstecken“) und plante nach längerer Verletzungspause auch seine Rückkehr als Spieler auf den Rasen. Dann erklärte er dem FCE-Vorstand nicht einmal zwei Monate später, dass er zum Jahresende ausscheiden würde. Schon bei den letzten Partien der Krückaustädter im alten Jahr war Witt nicht zugegen.
In diesen Zeitraum fielen für Witt ein wunderschönes (Geburt seines ersten Kindes) und ein tragisches (Tod seines Vaters) Erlebnis. Wölm beteuerte, dass es „kein Zerwürfnis“ gegeben habe und Witt, der 2017 als Spieler vom Rendsburger TSV an die Wilhelmstraße gekommen war, „versichert habe, dem FCE keine Spieler abspenstig zu machen“. Das Problem ist allerdings: Der in Hamburg-Pöseldorf lebende Witt, der in Kiel aufwuchs und dort auch seine Karriere begonnen hatte, nahm in den vergangenen Monaten in seinem Auto immer mehrere Spieler, die ebenfalls in der Freien und Hansestadt wohnen, mit zu den Trainingseinheiten sowie Heimspielen nach Elmshorn.
„Diese Spieler hatten keine Lust, diesen Weg zukünftig mit der Bahn zurückzulegen“, erklärte Wölm, wie es zum Abschied von Verteidiger Max Eichholz, Mittelfeldmann Max Fehlberg und Stürmer Emmanuel Kwakye – allesamt bisherige Leistungsträger – kam. Wie der schnelle Kwakye, so wollen auch der zweikampfstarke Eichholz, der laut Wölm „die Firma seines Vaters übernehmen soll“, und der vielseitig einsetzbare Fehlberg, der in seiner Ausbildung sehr eingespannt ist, zukünftig fußballerisch kürzertreten. Dass diesem Trio weitere Abgänge folgten, lässt allerdings darauf schließen, dass beim FCE ohne Witt und ohne „Moos“ nicht viel los ist.
Wölm betonte zwar auf Nachfrage, dass „kein Sponsor verloren gegangen“ und es somit keine Wiederholung des Szenarios von vor sieben Jahren, als nach dem Rückzug des damaligen Präsidenten und Gönners Helge Melzer die Insolvenz nur knapp verhindert werden konnte, sei. Trotzdem ist Mittelfeldmann Tom Hoffmann nach nur sechs Monaten zum TuS Holstein Quickborn (Kreisliga 6) zurückgekehrt. Trotzdem wollen Torwart Damian Suszczewicz sowie Verteidiger Jakub Kokoc zum FK Nikola Tesla (Landesliga 1) wechseln. Allen drei fehlt aber noch die Freigabe und Wölm betonte, dass die beiden letztgenannten Akteure „eigentlich bis zum 30. Juni an den FCE gebunden“ seien.
Während die Transfers der Polen Kokoc und Suszczewicz also möglicherweise zu einer Frage des Geldes werden – wie viel sind die Tesla-Verantwortlichen, die sich in diesem Winter auf großer „Einkaufstour“ befinden, bereit, zu zahlen? –, hat sich Defensivakteur Adrian Vukmirovic, der beim FCE zum 31. Dezember 2021 gekündigt hatte, wiede seinem Jugend-Verein Blumenthaler SV angeschlossen. Der Klub vom Bremer Burggraben, für den seit dem Sommer 2021 auch Sebastian Zinselmeyer (zuvor beim TSV Sasel) kickt, kämpft in der Bremen-Liga um den Klassenerhalt. „Vukmirovic absolviert im Rahmen seins Studiums ein viermonatiges Praktikum in Bremen“, erklärte Wölm, weshalb der 21-Jährige an die Weser, wo er einst schon aufwuchs, heimkehrte.
ist Offensivmann Tyron Gyamenah noch ohne neuen Verein, so deutet bei Stürmer Hasan Mercan alles darauf hin, dass er sich wieder einem Klub in Neumünster oder zumindest aus der Umgebung der Schwalestadt anschließt. Witt hatte den inzwischen 29-Jährigen, der zwar als starker Kicker, aber alles andere als pflegeleicht gilt, Anfang September 2021 zurückgeholt an die Wilhelmstraße, wo der Angreifer bereits vom Juli bis zum Oktober 2019 beheimatet gewesen war. „Mercan hat uns mit seinen Toren unbestritten weitergeholfen, aber mit seinem Platzverweis im Derby bei der SV Lieth auch geschwächt“, so Wölm, der zudem darauf hinwies, dass der Stürmer „nur äußerst selten mittrainiert“ und in den letzten Wochen „aufgrund mehrerer Corona-Fälle in seiner Familie gar nicht mehr zur Verfügung gestanden“ habe.
Den neun Abgängen stehen stand jetzt immerhin elf Neuzugänge gegenüber, die Kilic und Wölm „in zahlreichen Telefonaten“, so der Team-Manager, von einem sofortigen Wechsel zum FCE überzeugen konnten. Hierbei handelt es sich um die Verteidiger Orcun Aladag (von den Sportfreunden Uetersen/B-Kreisklasse 5), Ayaz Aloskan (TSV Sparrieshoop/Kreisliga 1), Ömer Aygün (zurück von der SV Lieth/Bezirksliga 1) und Leon Diedrigkeit, die Mittelfeldakteure Bataray Agrin, Fisnik Kelmendi (alle zuletzt eigene A-Jugend), Petrit Kelmendi (VfR Horst) und Abdolbaset Khoreyshi (Sportfreunde Uetersen) sowie die Stürmer Ali Duman (Lieth), Donart Kelmendi (eigene Reserve) und Marvin Tesch (zuletzt eigene A-Junioren).
Quantitativ dürften Kilic, Yilmaz und Giesbrecht, der als einer von drei Torhütern auch noch selbst dem Spielerkader angehört, also ausreichend Kicker zur Verfügung stehen – zumal es laut Wölm „ein enges Zusammenspiel mit der Zweiten Mannschaft“ geben soll. Ob auch die Qualität ausreicht, um am Sonntag, 23. Januar im Lotto-Pokal-Achtelfinal-Wiederholungsspiel bei Fatihspor (Bezirksliga 3) und anschließend in den Punktspielen der Bezirksliga 1 zu bestehen, ist aber fraglich. „Den Klassenerhalt haben wir noch lange nicht sicher“, warnte Wölm. Wahre Worte: Die Elmshorner weisen aktuell nur drei Punkte mehr als das auf Relegationsrang neun liegende Blau-Weiß 96 Schenefeld und sieben Zähler mehr als der Vorletzte SV Hörnerkirchen auf. Ein Absturz in die Kreisliga wäre im 18. Jahr des FCE-Bestehens ein neuer, historiscer Tiefpunkt.
(Johannes Speckner)