
Am Dienstagabend bat der SC Victoria, der in der Oberliga Hamburg als Tabellen-Elfter überwintert, zur Pressekonferenz: Nach einer kurzen Aussage des Ersten Vorsitzenden Helmuth Korte nahm Ronald Lotz, bei „Vicky“ als Geschäftsführer Sport federführend bei der Freistellung von Bert Ehm, ausführlich Stellung zu den aktuellen Geschehnissen. Zudem äußerten sich Roger Stilz, der bis zum Saisonende die Trainingseinheiten leitet, sowie Lutz Göttling, der ab dem 1. Juli Victoria-Coach ist.
SportNord hat für seine Leser mitgeschrieben und veröffentlicht hier die kompletten Aussagen:
Victoria-Präsident Helmuth Korte erklärte:
„Ich muss sagen, dass die letzten zwei bis drei Wochen nicht einfach für uns waren. Immerhin haben wir es geschafft, dieses Thema bis Sonntagabend unter dem Tisch zu halten. Die eine Seite bei dem Thema war die menschliche, die andere war der SC Victoria. Wir haben fast neun Jahre lang mit Bert Ehm zusammengearbeitet und waren in dieser Zeit kameradschaftlich verbunden. Nun haben wir eine Entscheidung getroffen, die menschlich nicht zu verstehen ist – aber wir sehen Victoria, deshalb haben wir uns so entschieden. Nach dem Gespräch am Sonntagabend und dem, was inzwischen vorgefallen ist, muss ich sagen, dass wir uns vorher über die menschliche Komponente zu viele Gedanken gemacht haben ... Ronald Lotz hat die Dinge eng mit mir zusammen vorbereitet und besprochen. Wir alle haben viel Zeit geopfert, damit Vicky die Nummer drei in Hamburg wird!“
Ronald Lotz, Geschäftsführer Sport bei Victoria, erklärte:
„Vorab möchte ich zwei Dinge betonen: Ich möchte an dieser Stelle meine Sichtweise und Verhaltensweise erklären, mich aber keinesfalls rechtfertigen. Und es geht um eine Freistellung von Bert Ehm bis zum Saisonende, nicht um eine Entlassung – und natürlich haben dabei auch Emotionen mitgespielt. Ich bin jetzt fünf Jahre bei Victoria und habe in jedem Winter eine Analyse gemacht: Was können wir verändern, um noch erfolgreicher zu werden? Am besten für eine objektive Analyse ist es, Fakten als Grundlage zu sammeln, anstatt nur in der Vergangenheit zu leben. Oftmals war es so, dass wir im Winter gut dastanden: Gemeinsam im Kollektiv haben wir erfolgreich zusammengearbeitet und in fünf Jahren zahlreiche Titel geholt (Anmerkung der Redaktion: 2007 und 2010 den Oddset-Pokal sowie 2007, 2008, 2009 und 2010 die Hamburger Meisterschaft).
Kommen wir also zur Analyse: Ich habe seit dem Saisonstart alles beobachtet und Gespräche geführt. Ich selbst bin ausgebildeter Trainer, habe Augen im Kopf und arbeite für die Sache Victoria. Und ich habe objektive Daten der jüngsten Vergangenheit gesammelt: Unser letzter überzeugender Sieg war Ende September der 5:0-Erfolg beim SC Concordia. Als ich dann die folgenden acht Oberliga-Spiele unter die Lupe nahm, fiel mir auf, dass wir daraus nur sieben Punkte geholt haben – das ist nicht Vicky und das ist nicht das, was wir von Victoria zuletzt gewöhnt waren. Nach dem DFB-Pokal-Spiel gegen den VfL Wolfsburg haben zudem zwei Akteure, die aus meiner Sicht zum engsten Kader gehörten, den Verein aus freien Stücken verlassen. Zudem gab es Rote Karten, Ausschreitungen auf der Bank und Ungereimtheiten auf Pressekonferenzen, wo Herr Korthe für Ruhe sorgen musste.
Das alles ist Fakt, ebenso wie die Rückrunde der vergangenen Saison, die ich mir auch angeschaut habe. Da hatten wir nach 21 Spieltagen noch zehn Punkte Vorsprung, um dann am letzten Spieltag gerade einmal aufgrund der um zehn Treffer besseren Tordifferenz gegenüber dem zweitplatzierten TSV Buchholz 08 Meister zu werden. Das habe ich festgestellt – und im Oddset-Pokal-Finale am 21. Mai 2010 hatte ich ein Team gesehen, das den Sieg verdient gehabt hätte: Das war die SV Halstenbek-Rellingen, doch unser Spieler Sven Trimborn hat mehrmals auf der eigenen Torlinie gerettet und durch einen Kunstschuss von Stephan Rahn haben wir mit 1:0 gewonnen. Bereits im Oktober 2009 war vereinbart worden, dass der Oberliga-Meister ein Freundschaftsspiel gegen den Hamburger SV absolviert; dadurch hatten wir, neben dem DFB-Pokal, einen weiteren Höhepunkt ...
Natürlich kann es zwischen solchen Partien schwer fallen, im Alltagsgeschäft konstant zu punkten – aber früher ist unser Team auch selbstsicher auf den Platz gegangen und Meister geworden. Und nachdem wir 2007 mit drei, 2008 mit fünf und 2009 mit sieben Punkten Vorsprung Meister geworden sind, hatte ich danach eigentlich neun Zähler Abstand erwartet ... Und dafür, dass wir als Tabellen-Elfter weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben sind, sind wir sehr lange ruhig geblieben. Ich habe mir einen Eindruck verschafft, der sich bei näherem Hinsehen immer mehr vertieft hat. So, wie sich neue Spieler nach potentiellen neuen Vereinen umschauen – manchmal geht es dabei ums Geld, manchmal wollen sie sich einfach neu orientieren –, muss ich neben meinem Alltagsgeschäft gewisse Optionen, die Victoria hätte, sichten, um den Verein für die Zukunft gut aufzustellen.
Mit diesen Informationen bin ich dann in eine neunköpfige Sitzung mit dem Vorstand, an der ich teilnahm, obwohl ich nicht zum Vorstand gehöre, gegangen. Wir haben gemeinsam entschieden, dass wir unter den Bedingungen, die es zuletzt im Herbst 2010 gab, in der Saison 2011/2012 nicht weiterarbeiten werden. Jeder von uns hat so entschieden. Dabei zählten nur sachliche Argumente, denn im Fußball ist es in erster Linie einmal entscheidend, Tore zu schießen und zu verhindern. Wir haben uns leise und ruhig verhalten, weil großer Wirbel in der Öffentlichkeit nur gestört hätte und der Sache nicht dienlich gewesen wäre. Aber als die Entscheidung am Sonntag stand, brauchten wir einen Nachfolger ... Ich hatte bereits vorsorglich einen Gesprächstermin mit Lutz Göttling vereinbart und bin froh, dass wir so kurzfristig zusammengekommen sind!
Ich hatte mich zuvor nach geeigneten Kandidaten umgeschaut und dabei einen Trainer gefunden, der leistungsstarke Arbeit abliefert und zuletzt sogar seinen Urlaub opferte, um die Trainer-A-Lizenz zu erwerben – da musste ich gar nicht weiter nach anderen Trainern Ausschau halten. Mir war zudem zugetragen worden, dass Göttling seinen Vertrag in Meiendorf zum Saisonende gekündigt hat. Das war für uns eine göttliche Fügung! Lutz Göttling und ich tauschen uns auf einer sachlichen Schiene schon sehr lange aus und zu diesem Zeitpunkt kam für uns nur Göttling als neuer Trainer in Frage. Göttling ist ein Coach, der etwas voran bringen möchte, und er wird eine starke Säule für die Zukunft von Victoria darstellen. Jeder muss für eine Entwicklung seine Komfortzone verlassen, auch ich. Wir werden uns nun mit Göttling an die Planungen für die kommende Saison machen!
Der dritte Schritt aus diesen Erkenntnissen war, dass wir uns sofort von Bert Ehm trennen! Fußball ist Wissenschaft, und diese besagt, dass bei uns andernfalls eine Situation der ‚lahmen Ente‘ eingetreten wäre. Es gab nie einen Fall, wo es zu Erfolg führte, wenn der Trainer selbst sich bereits irgendwo anders hin orientiert, aber noch eine Halbserie bei seinem alten Verein tätig ist. Mittlerweile wissen wir ja auch, dass Ehm für diese Situation gut präpariert war: Er hat damit gerechnet und gespürt, dass es so kommen würde – vielleicht hat er auch die Zeit der Besinnung zu Weihnachten zum Nachdenken genutzt ... Bert Ehm ist jederzeit bei uns herzlich willkommen: Er ist ein guter Typ, und wir haben in der Gruppe gemeinsam Vieles entwickelt, auch infrastrukturell. Nun haben wir uns nicht gegen Ehm, sondern für eine Zukunft mit Lutz Göttling entschieden!
Bei uns hängen etwa 40 Personen am Liga-Fußball dran, da muss es weiter vorangehen. Ich werde im Frühjahr bei den meisten Trainingseinheiten 90 Minuten auf dem Platz dabei sein. Am Montagabend haben die Jungs bereits richtig Gas gegeben – ich weiß nicht, ob zu meiner Zeit im Profi-Bereich so konzentriert und gut trainiert wurde ... Bis auf die Verletzten waren alle Spieler dabei; auch Argetim Kaba, der im Winter zunächst auf eigenen Wunsch hin ausgeschieden war, hat am Montag das Training wieder aufgenommen. Neben Stilz haben auch Gregor Strebel, der vorher Athletik-Trainer war, und unser neuer Torwart-Trainer Stefan Wächter an der Übungseinheit teilgenommen. Stilz ist in der Rückrunde für die Leitung der Trainingseinheiten zuständig; für die Aufstellungen sowie die Ein- und Auswechslungen bei den Spielen bin ich verantwortlich und fungiere somit quasi als Teamchef!“
Roger Stilz, bisher spielender Co-Trainer unter Bert Ehm, erklärte:
„Ich sehe mich als Angestellten des Vereins und ausführende Hand der sportlichen Leitung. Bis zum Sonntag hatte diese noch Bert Ehm inne. Ich denke nun aber nicht an die Vergangenheit, sondern ans nächste Training. In Absprache mit Strebel leite ich die Trainingseinheiten – darum kümmere ich mich mit vollem Einsatz. Die Aufstellung macht Ronald Lotz; er wird auch aussuchen, wer im 18er-Kader steht. Ich habe kürzlich einen neuen Vertrag, der bis zum 30. Juni 2013 läuft, als spielender Co-Trainer unterschrieben und freue mich schon auf die Zusammenarbeit mit Lutz Göttling. Ich bin aber auch Bert Ehm zu Dank verpflichtet, denn er hat mir als jungem Trainer die Chance gegeben, auf hohem Niveau ins Geschäft reinzuschnuppern. Im Jahr 2011 werde ich den Trainer-A-Schein machen und denke, ich werde von der Zusammenarbeit mit Göttling viel lernen können!“
Lutz Göttling, noch beim Meiendorfer SV und ab dem 1. Juli Victoria-Coach, erklärte:
„Man kann meine Aufgabe beim Meiendorfer SV nicht mit der beim SC Victoria, wo ich am Sonntagabend unterschrieben habe, vergleichen. In Meiendorf haben wir die Mannschaft ganz anders zusammengestellt: Dort habe ich sämtliche Spieler-Gespräche geführt und war hauptverantwortlich für die Zusammensetzung des Teams. Bis zur jüngsten Trainingseinheit habe ich die Spieler erreicht und bin fest davon überzeugt, dass wir zusammen den Klassenerhalt schaffen; vielleicht erreichen wir ja auch noch das Pokal-Finale, vielleicht treffen wir dort dann ja sogar auf Victoria ... Ich bin jedenfalls gespannt, wie sich jetzt alles entwickelt. Am Montagabend wurde übrigens Frank Stolina in Meiendorf als neuer Sportlicher Leiter vorgestellt; er nimmt seine Arbeit sofort auf. Zudem haben die Meiendorfer Spieler auch erfahren, dass Bert Ehm im Sommer Trainer wird.
Ich habe das Glück, von zuhause aus viel Zeit für den Fußball mitbringen zu können. Jetzt im Frühjahr werde ich meine komplette Freizeit dem Fußball widmen: Zum einen werde ich alles daran setzen, mit Meiendorf in der Oberliga zu bleiben; parallel dazu werde ich mich mit Ronald Lotz und Roger Stilz kurzschließen und über die neue Saison austauschen. Für diese kann ich noch kein Ziel nennen, solange ich nicht weiß, wer am 1. Juli auf dem Trainingsplatz steht. Die Infrastruktur ist auf jeden Fall dafür geschaffen, die neue Regionalliga anzupeilen. Das Team wird die Handschrift aller tragen und ich denke, wir werden eine gute Mannschaft zusammenkriegen. Stilz ist dabei für mich ein ganz wichtiger Spieler und der Begriff ‚Co-Trainer‘ existiert für mich nur auf dem Papier. Wir haben schon miteinander gesprochen: Ich bin sehr gespannt und freue mich auf unsere Zusammenarbeit!“
(JSp)