
Wie SportNord bereits berichtete, ist Meister-Trainer Bert Ehm ab sofort nicht mehr Chefcoach beim SC Victoria (siehe unten stehenden Link). Der 64-Jährige hatte das Traineramt bei „Vicky“ im Sommer 2002 übernommen, im Sommer 2003 als Vizemeister der alten Verbandsliga Hamburg den Aufstieg in die alte Oberliga Hamburg/Schleswig-Holstein und dort als Tabellen-Achter die Qualifikation für die neue Oberliga Nord geschafft. Von 2007 bis 2010 wurde Ehm mit dem Klub von der Hoheluft vier Mal in Folge Meister der höchsten Hamburger Spielklasse – ein Kunststück, das zuvor niemandem gelang und das ihm so schnell wohl auch keiner nachmachen wird. Im August warf Ehm, der auch schon den Duvenstedter SV, Meiendorfer SV, TuS Hoisdorf, VfL 93, Eimsbütteler TV, Harburger TB und 1. SC Norderstedt betreute, mit dem Fünftligisten Victoria zudem den Zweitligisten SC Rot-Weiß Oberhausen aus dem DFB-Pokal.
Im Interview mit SportNord spricht Ehm über seinen sofortigen Abschied von Victoria, erklärt, wieso es schwer für Interimscoach Roger Stilz wird – und sagt, dass er zwei gute Angebote hat ...
SportNord: Am Sonnabend haben Sie Ihre Mannschaft beim Riewesell-Cup noch betreut, am Sonntagabend trafen Sie sich mit dem Vorstand. Wie verlief dieses Treffen?
Ehm: „Wir hatten uns zusammengesetzt und waren eigentlich schon von vornherein der Meinung, die Zusammenarbeit am 31. Juni 2011 – also dann, wenn mein Vertrag ausläuft – zu beenden!“
SportNord: Gestatten Sie eine kurze Nachfrage: In der BILD-Zeitung vom Montag werden Sie dahin gehend zitiert, dass Sie vor der Sitzung sagten, Sie würden davon ausgehen, Ihren Vertrag bei Victoria zu verlängern ...
Ehm: „Ja, das war ein bisschen Taktik von mir, dass muss ich zugeben ... Die äußeren Umstände sprachen einfach dafür, dass man sich im Sommer 2011, nach dann neun gemeinsamen Jahren, trennt.“
SportNord: Wie kam es dazu, dass die Trennung nun nicht erst am Saisonende, sondern bereits mit sofortiger Wirkung vollzogen wurde?
Ehm: „Genau das ist der entscheidende Punkt: Mir wurde plötzlich vorgeschlagen beziehungsweise ich wurde eigentlich vor vollendete Tatsachen gestellt, als mir gesagt wurde, dass die Zusammenarbeit mit mir sofort beendet werden solle, was mich zunächst sehr überrascht hat ...“
SportNord: Teilte Herr Helmuth Korte, der Erste Vorsitzende von Victoria, Ihnen diesen Beschluss mit?
Ehm: „Nein, Herr Ronald Lotz war Verhandlungsführer und ist in dieser Hinsicht auch der Verantwortliche gewesen. Letztlich ist es nun einmal so, und das sehe ich auch ein, obwohl es hart für mich ist: Wenn man achteinhalb Jahre dieselbe Mannschaft betreut hat, dann kommt irgendwann der Punkt, an dem man weg muss ...“
SportNord: Aber aus welchem Grund wurde die Trennung bereits jetzt vollzogen?
Ehm: „Es wurde gesagt, dass es für die aktuelle Arbeit mit der Mannschaft die bessere Lösung wäre, wenn ich sofort aufhöre. Ansonsten hätte es möglicherweise unschöne Vorwürfe gegeben: Zum Beispiel, dass sich der alte Trainer im letzten halben Jahr nicht mehr richtig reinhaut, in Gedanken vielleicht schon bei einem anderen Verein ist ...“
SportNord: Das ist bei einem Vollblut-Trainer, der Niederlagen hasst, nur schwer vorstellbar ... Was haben Sie denn Herrn Lotz entgegnet?
Ehm: „Ich werde jetzt hier natürlich nicht die genauen Inhalte unseres Gesprächs wiedergeben, aber am Ende haben wir uns generös geeinigt, und wir haben auch keine Probleme miteinander. Wie gesagt: Darüber, dass am 30. Juni Schluss sein würde, bestand ja von vornherein Einigkeit. Und ich kann es akzeptieren, dass bei Vicky jetzt eine neue Mannschaft aufgebaut werden soll und man dort ohne mich vielleicht etwas freier arbeiten kann!“
SportNord: Als Tabellen-Elfter hat Victoria momentan ‚nur‘ acht Punkte Vorsprung auf die Abstiegszone. Trauen Sie es Roger Stilz, der ja in den letzten Jahren Ihr spielender Co-Trainer war, zu, dass er das Team wieder in bessere Tabellen-Regionen führt?
Ehm: „Ja, das traue ich ihm zu. Aber Stilz hat natürlich das Problem, dass er Spielertrainer ist. Die Schwierigkeiten, die dadurch entstehen, darf man nicht unterschätzen – denn wenn er beispielsweise während einer Partie Anweisungen gibt, muss er damit rechnen, dass seine Mitspieler ihm auch Kontra geben ... Die gesamte Situation ist auf jeden Fall nicht gerade einfach!“
SportNord: Am 1. Juli übernimmt dann Lutz Göttling, der bis dahin noch den Oberliga-Rivalen Meiendorfer SV betreut, den Trainer-Posten. Ist Göttling Ihrer Meinung nach eine gute Wahl?
Ehm: „Ja, absolut! Ich schätze Herrn Göttling sehr und hätte, wenn ich in dieser Hinsicht etwas zu sagen gehabt hätte, ebenfalls alles daran gesetzt, ihn als neuen Trainer zu verpflichten!“
SportNord: Zwischenzeitlich war es einmal angedacht, dass Sie nach dem Ende Ihrer Trainer-Tätigkeit bei Victoria als Manager oder Obmann weiterarbeiten. Ist das in der jüngsten Vergangenheit überhaupt noch einmal thematisiert worden?
Ehm: „Nein, darüber wurde zuletzt gar nicht mehr geredet. Das wäre für mich aber auch gar nicht infrage gekommen, weil ich in der Zwischenzeit schon ganz andere interessante Angebote bekommen hatte ...“
SportNord: ... werden Sie denn schon zur Rückrunde oder erst im Sommer bei einem neuen Verein einsteigen?
Ehm: „Zunächst einmal möchte ich betonen, dass da noch gar nichts spruchreif ist, aber sich zwei Vereine im engeren Kreis befinden – doch auch da müssen wir nun zunächst einmal schauen, was aus den Gesprächen wird. Angedacht ist es, dass ich dort zum 1. Juli einsteige ... Man weiß ja nie, was passiert, aber ich wäre schon ganz froh, wenn ich jetzt in den nächsten Monaten zunächst einmal eine kleine Fußball-Pause einlegen könnte!“
SportNord: Als Sie mit Vicky Meister wurden, verzichtete der Klub 2007, 2009 und 2010 jeweils auf sein Aufstiegsrecht, 2008 scheiterte man in der Aufstiegsrunde zur damals eingeführten Regionalliga am FC Oberneuland. Ist es besonders bitter für Sie, dass Sie nun in der Saison 2011/2012, an deren Ende zwei bis drei Hamburger Oberligisten die Qualifikation für die neue Regionalliga Nord winkt, nicht mehr Victoria-Coach sind?
Ehm: „Diese neue Regionalliga Nord hat in meinen Gedanken über meine Zukunft als Trainer keine Rolle gespielt. Nichtsdestotrotz drücke ich meinem Nachfolger Lutz Göttling die Daumen, dass er mit Victoria den Sprung in diese neue Spielklasse schafft!“
SportNord: In dem bereits erwähnten Artikel der BILD-Zeitung war zu lesen, dass Ronald Lotz Sie per SMS zu dem Treffen am Sonntagabend einlud. Gab oder gibt es zwischen Lotz und Ihnen Probleme?
Ehm: „Nun ja, wir sind nicht unbedingt dicke Freunde, sondern haben in den letzten knapp fünf Jahren eher auf der sachlichen Schiene zusammen gearbeitet. Und dass er mir das per SMS mitgeteilt hat, das ist eben so seine Art ... Ich würde so nicht verfahren, sondern so etwas immer persönlich mitteilen – aber ich weiß, dass Herr Lotz beruflich auch immer sehr stark eingebunden ist, so dass er mir vielleicht auch aus zeitlichen Gründen ‚nur‘ eine Handy-Kurzmitteilung geschrieben hat. Aber ich denke, wir sollten dieses SMS-Thema nun auch nicht zu hoch hängen – so spektakulär ist es nämlich nicht!“
Interview: Johannes Speckner