
Nach der am vergangenen Freitag bekanntgegebenen Trennung von Coach Bernhard Schwarz überraschte TBS Pinneberg mit einem 4:0-Sieg beim Hamburger SV III und hat in der Landesliga Hammonia als Vorletzter nun nur noch drei Punkte Rückstand auf den rettenden 13. Rang. Bülent Dobrucali, der als Spieler einst für Türk-Birlikspor und den FC Elmshorn aktiv war, wurde dabei als verantwortlicher Trainer auf dem Spielberichtsbogen eingetragen ‒ und nahm sich nun Zeit für ein Interview mit SportNord ...
SportNord: Wie kam es dazu, dass Sie das Traineramt bei TBS übernommen haben?
Bülent Dobrucali: „Nach dem Ende meiner aktiven Karriere habe ich eine lange Fußballpause eingelegt, ehe ich im Sommer als Trainer die C-Jugend von TBS übernommen habe. Zwischenzeitlich habe ich parallel dazu auch noch die Liga-Mannschaft als Co-Trainer unterstützt, wodurch mir aber der zeitliche Aufwand zu hoch geworden ist, weshalb ich mich wieder auf die C-Junioren konzentriert habe. Als dann die Frage kam, ob ich nach der Trennung von Schwarz den Ersten Herren helfen würde, habe ich natürlich ,Ja' gesagt: Ich kann TBS einfach nicht im Stich lassen!“
SportNord: Sie sind selbstständiger Fliesenleger und zeitlich sehr eingespannt ‒ können Sie den Aufwand, ein Landesliga-Team zu trainieren, leisten?
Dobrucali: „In der Tat führe ich einen Betrieb mit zehn Angestellten, mit dem wir uns in der Aufbauphase befinden. Deshalb wird die Belastung für mich sehr hoch ‒ das weiß ich selbst und genauso ist es dem Vorstand bekannt. Es sieht momentan so aus, dass ich erst einmal das Traineramt übernehme, bis wir den richtigen Coach für TBS gefunden haben. Dabei wollen wir uns die nötige Zeit lassen: Wir dürfen jetzt keinen Schnellschuss abgeben, um dann am Ende feststellen zu müssen, dass es nicht passt ...“
SportNord: Wie würde es für Sie weitergehen, wenn ‒ beispielsweise in der Winterpause ‒ ein neuer Übungsleiter gefunden wird?
Dobrucali: „Eventuell fungiere ich dann bei den Ersten Herren wieder als Co-Trainer, oder ‒ falls der neue Coach beispielsweise einen eigenen Assistenten mitbringt ‒ ich konzentriere mich wieder auf die C-Junioren. Ein Vorteil für mich ist, dass ich die Jungs gut kenne. Und wenn der neue Trainer deshalb von mir unterstütz werden möchte, würde ich ihm diese Hilfe natürlich nicht verweigern.“
SportNord: Was haben Sie vor Ihrem Debüt in verantwortlicher Position im Spiel beim Hamburger SV III, das TBS sensationell mit 4:0 gewann, mit der Mannschaft gemacht?
Dobrucali: „Ich habe das eine oder andere Gespräch mit den Spielern geführt. Dabei habe ich versucht, ihnen zu vermitteln, dass sie wieder Spaß am Fußball und Selbstvertrauen haben sollen. Zu Saisonbeginn, als ich als Co-Trainer mit dabei war, haben die Jungs wirklich gute Spiele gemacht, bei denen es Spaß gemacht hat, zuzuschauen. Alle unsere Spieler können gut mit dem Ball umgehen, da macht ihnen kein Gegner etwas vor ...“
SportNord: Was war aus Ihrer Sicht dann der Grund dafür, dass es zuletzt nicht wie gewünscht lief?
Dobrucali: „Etwa 80 Prozent unserer Spieler sind türkischstämmig und mit ihnen muss man etwas anders umgehen: Man darf sie nicht zu hart anpacken, aber auch nicht zu sehr mit Samthandschuhen. Ich habe das Glück, dass die Spieler in mir ein Vorbild sehen und ich einfach gut bei ihnen ankomme. Wir können uns auch im privaten Bereich zusammensetzen und über alles reden. Und ich glaube, daran hat es zuletzt etwas gefehlt ... Ein Trainer darf nicht immer nur negativ sein ‒ das funktioniert weder in der Bundesliga noch in der Kreisklasse!“
SportNord: Hat Sie der 4:0-Sieg beim HSV III trotzdem überrascht, oder hatten Sie mit einem so triumphalen Debüt gerechnet?
Dobrucali: „Wie gesagt, wir haben hervorragende Spieler im Kader, die über großes Potential zu verfügen. Trotzdem ist das am Freitag eine Leistung gewesen, die ich so nicht erwartet hatte. Natürlich war und bin ich sehr, sehr stolz auf die Mannschaft, denn sie hat uns große Freude bereitet. Nun gilt es, in den nächsten Spielen an die hervorragende Leistung vom HSV-Spiel anzuknüpfen und das vorhandene Potential weiterhin abzurufen.“
SportNord: In diesem Jahr gibt es noch zwei Heimspiele gegen den HEBC und den FK Nikola Tesla. Mit welcher Zielsetzung gehen sie in diese Partien?
Dobrucali: „Zunächst einmal müssen wir zusehen, dass wir nach dem HSV-Spiel nicht abheben. Natürlich wollen wir aus diesen beiden Heimspielen gegen zwei Teams, die aktuell ebenfalls um den Klassenerhalt kämpfen, so viele Punkte wie möglich holen. Fakt ist: Wir sind immer noch Vorletzter und haben noch gar nichts erreicht. Aber ich sage auch, dass wir keine Mannschaft sind, die in der Landesliga unten hingehört ...“
SportNord: ... fürchten Sie trotzdem, dass TBS bis zum Saisonende um den Klassenerhalt kämpfen muss?
Dobrucali: „Wenn ich nach meinem Gefühl gehe, glaube ich, dass wir diese Saison auf einem Mittelfeldplatz beenden werden. Auf jeden Fall werden wir nicht absteigen ‒ dafür steckt einfach zu viel Potential im Team. Mikail Pekdemir steigt jetzt auch wieder in das Training bei der Liga-Mannschaft ein und ist, da er zuletzt regelmäßig beim Reserve-Team mit trainiert hat, sofort fit und einsatzbereit. Wir haben jetzt auch Baris Öncan mit dabei, der uns auf jeden Fall helfen und weiterbringen wird. Außerdem sollen im Winter noch zwei Verteidiger und ein guter Mittelfeldspieler kommen ‒ und dann haben wir gute Chancen, den Ligaverbleib schon frühzeitig zu sichern.“
Der geneigte Beobachter darf gespannt sein, wann die TBS-Verantwortlichen einen neuen Cheftrainer finden ‒ die Winterpause wäre dafür natürlich ein geeigneter Zeitpunkt ‒, und wer der neue Mann sein wird. Ein Kandidat wäre möglicherweise Bernd Bressem: Der frühere Profi des Hamburger SV war einst Dobrucalis Trainer beim FC Elmshorn und betreute bis zum April den damaligen West-Bezirksligisten TSV Holm. Ebenfalls mit sofortiger Wirkung frei verfügbar wäre Marc Zippel, der im benachbarten Halstenbek lebt und zuletzt bei Nikola Tesla bereits bewies, dass er mit einem Team, das überwiegend aus Spielern mit Migrationshintergrund besteht, gute Ergebnisse erzielen kann. Als Spieler war Zippel einst schon an der Müssentwiete aktiv, allerdings bei den Sportfreunden Pinneberg. Und dann wäre da noch Michael Fischer, der allerdings bis zum Saisonende noch den Stadt-Rivalen VfL Pinneberg betreut und erst am 1. Juli 2016 zu TBS wechseln könnte ...