Oberliga: Hachmann erklärt im Interview seinen Wechsel zu Rugenbergen

Nils Hachmann, hier noch im Trainings-Shirt des Kummerfelder SV, ist ab sofort beim SV Rugenbergen tätig.
(Foto-Credit: Johannes Speckner)

„Trainer zu sein, ist für mich wie eine Sucht.“ Nils Hachmann macht keinen Hehl daraus, dass es ihm schwer fällt, sich mit bei einem Fußballspiel mit der Zuschauerrolle zu begnügen, Am Sonntag musste er aber genau das tun, denn als der SV Rugenbergen auf TuRa Harksheide traf (Endstand 1:1), fungierte Dennis von Bastian zum zweiten und letzten Mal als Interimscoach. Anschließend übernahm Hachmann offiziell das Traineramt bei den Bönningstedtern, deren Verantwortliche seine Verpflichtung als Nachfolger von Michael Fischer, der am 26. September gehen musste, in einer Mitteilung am Freitagabend offiziell bekanntgegeben hatten.

Bevor er bei den SVR-Kickern die erste Übungseinheit leitet, sprach der 43-Jährige, der hauptberuflich Tischlermeister ist, im SportNord-Interview über seinen Abschied vom Kummerfelder SV, den er im Mai zur Meisterschaft in der Bezirksliga West geführt hatte, sowie über seine Ziele im Werner-Bornholdt-Sportzentrum ...

 

SportNord: Wann und wie kam der Kontakt mit den SVR-Verantwortlichen zustande?
Nils Hachmann: „Am Dienstag, 27. September habe ich einen ersten Anruf eines Vorstandsmitglieds bekommen. Darauf folgte die klare Aussage der Vereinsführung, dass sie Gespräche mit uns führen möchte. Darüber wurden auch die Verantwortlichen des Kummerfelder SV offiziell informiert. Nach dem ersten persönlichen Austausch hat uns der SVR-Vorstandsvorsitzende Andreas Lätsch signalisiert, dass er unsere Ideen und Pläne sehr interessant finden würde. Das Ganze ist aber ein gut gehütetes Geheimnis geblieben.“

SportNord: Wann war Ihnen und Ihren Co-Trainern klar, dass Sie das Angebot annehmen wollen?
Hachmann: „Nicola Basta war nach dem besagten Gespräch Feuer und Flamme: Er hat gesagt, dass der SVR für uns eine riesengroße Herausforderung sei. Sven Busse hatte zunächst erklärt, nicht mit uns mitgehen zu wollen. Mir war es wichtig, zu wissen, was die Spieler von Rugenbergen denken und sich für die Zukunft wünschen. Deshalb haben wir mit fünf Akteuren jeweils ein einzelnes Gespräch geführt und festgestellt, dass sich die Vorstellungen der Mannschaft mit unseren Ideen decken – was dann auch Busse überzeugt hat.“

SportNord: Mit welchen Spielern haben Sie sich ausgetauscht und wie sehen diese Vorstellungen aus?
Hachmann: „Wir haben am 4. Oktober mit Kapitän Sven Worthmann, Torwart Patrick Hartmann, Patrick Hoppe und Hendrik Rühmann als langjährigen Spielern und Kilian Utcke, den ich einst schon in der Jugend betreut habe, gesprochen. Die Spieler haben uns versichert, dass sie in den letzten Wochen nicht gegen ihre damaligen Trainer Michael Fischer und Heiko Klemme gespielt, sie aber gewisse Ungereimtheiten beklagt hätten. Im Gegenzug haben wir ihnen erklärt, wie wir in Kummerfeld gearbeitet haben und dass wir unser Trainingsprogramm, auch wenn es im SVR-Kader einen höheren Altersschnitt gibt und es sich um eine andere Liga handelt, dort 1:1 genauso durchziehen würden. Und dabei geht es wie gesagt genau um die Inhalte, die sich die Spieler auch wünschen.“

SportNord: Schreckt es Sie nicht ab, dass Ihre drei Vorgänger, Fischer, Andjelko Ivanko und Thomas Bohlen, in Bönningstedt nicht allzu lange arbeiten durften?
Hachmann: „Verschrecken tut mich das nicht, nein. Und es steht mir auch nicht zu, die Arbeitsweisen von Trainerkollegen zu beurteilen. Ich könnte mir aber vorstellen, dass die Arbeit, die Ralf Palapies beim SVR über viele Jahre geleistet hat, einfach so überragend war, dass es jeder Coach, der nach ihm gekommen wäre, sehr schwer gehabt hätte.“

SportNord: Wann haben Sie die Kummerfelder Verantwortlichen und Ihre bisherige Mannschaft über Ihren Wechsel unterrichtet?
Hachmann: „Am Donnerstag, 6. Oktober haben wir das Gespräch mit dem Vorstand gesucht und danach die Mannschaft informiert. Wir hätten gerne anschließend noch das Training geleitet und das Team auch am Freitagabend im Auswärtsspiel beim HSV Barmbek-Uhlenhorst betreut. Aber die Vereinsführung hat entschieden, dass es besser sei, sofort einen Schlussstrich zu ziehen. Das haben wir natürlich akzeptiert, auch wenn es uns schwergefallen ist, den Platz am Donnerstagabend zu verlassen, ohne die Einheit geleitet zu haben.“

SportNord: Wie haben die Spieler und die Offiziellen des KSV reagiert?
Hachmann: „Aus dem Kreis der Mannschaft haben wir viele Rückmeldungen via WhatsApp bekommen, in denen die Spieler erklärt haben, dass sie unseren Schritt nachvollziehen können, und sie uns viel Erfolg gewünscht haben. Im Vorstand des KSV sitzen Menschen, die wir nicht nur sehr schätzen gelernt, sondern zu denen wir in den letzten Jahren auch Freundschaften aufgebaut haben. Deshalb waren die Kummerfelder Verantwortlichen natürlich alles andere als begeistert, als wir sie über unseren Wechsel informiert haben. Zumal es von ihrer Seite zuletzt bereits Bekundungen gegeben hatte, dass sie uns gerne für zwei weitere Jahre an den Verein binden würden.“

SportNord: Hätten Sie sich, wenn das Angebot des SVR nicht gekommen wäre, denn eine solche Verlängerung vorstellen können?
Hachmann: „Es ist unbestritten, dass wir uns in Kummerfeld sehr wohl gefühlt haben. Manchmal ist es aber auch vonnöten, genau solche Komfortzonen zu verlassen. Ich mache keinen Hehl daraus, dass wir als Trainerteam in den letzten Wochen gemerkt haben, dass wir einige Spieler nicht mehr so gut erreichen. Und von diesen Akteuren hätten wir auch erwartet, dass sie in der Landesliga, die für viele von uns eine neue Spielklasse war, mehr Engagement zeigen. Gerade einige ältere Spieler haben nicht alles, was möglich gewesen wäre, investiert – aber es ist nun einmal auch so, dass wir eine sehr hohe Erwartungshaltung haben. Und ich gebe auch unumwunden zu, dass ich in den ersten Partien taktisch nicht alles richtig gemacht habe.“

SportNord: Aus den ersten neun Saisonspielen unter Ihrer Regie hat Kummerfeld zehn Punkte geholt – entsprach das Ihren Erwartungen?
Hachmann: „Nein! Ich mache keinen Hehl daraus, dass wir uns mehr erhofft hatten. Wenn wir die Partien Revue passieren lassen, bleibt festzuhalten, dass wir beim 2:1-Sieg gegen die SV Halstenbek-Rellingen positiv überrascht haben – diesen starken Gegner hätten wir nicht schlagen müssen. Anders herum haben wir aber gegen den FC Alsterbrüder sowie beim FTSV Altenwerder – da hätten wir zur Pause mit 4:0 führen müssen – sehr unglücklich verloren und hätten beim 1:1 gegen den Harburger TB eigentlich gewinnen müssen. Will heißen: Mit etwas mehr Glück hätten wir sechs oder sogar acht Punkte mehr auf unserem Konto. Damit wären wir nach neun Spieltagen als Rang-Siebter voll im Soll gewesen.“

SportNord: Können Sie Kritik am Zeitpunkt Ihres Wechsels nachvollziehen?
Hachmann: „Ja, der Zeitpunkt ist definitiv sehr unglücklich, gerade für den Kummerfelder SV. Unser Tenor ist auch ganz klar, dass wir eigentlich niemals mitten in der Saison eine Mannschaft verlassen würden. Aber dieser Zeitpunkt ist ja nicht von uns, sondern von der SVR-Führung vorgegeben worden. Wir wussten auch, dass es andere Kandidaten gab – angeblich soll Jan-Philipp Rose ein Thema gewesen sein und auch Bennet Krause, der gerade bei mir beim Stützpunkt angefangen hat. Außerdem ist es so, dass sich, wenn ein Oberligist auf der Suche ist, auch immer viele Trainer von sich aus anbieten. Deshalb war unsere Befürchtung: Wenn wir jetzt nicht ‚Ja‘ sagen, müssen die Verantwortlichen von Rugenbergen einen anderen Coach holen. Und wenn er dann gute Arbeit abgeliefert hätte, wäre für uns die Chance, nach Bönningstedt zu wechseln, vielleicht für fünf, sechs Jahre versperrt gewesen – oder möglicherweise sogar nie wiedergekommen.“

SportNord: Werden Ihnen im Winter Spieler wie beispielsweise Mikael Großmann, dem schon in der Vergangenheit Angebote aus Bönningstedt vorlagen, oder Nicola Bastas Söhne Aleksa und Stefan vom KSV zum SVR folgen?
Hachmann: „Nein, ich kann es ausschließen, dass wir in der Winterpause aktiv Spieler aus Kummerfeld ansprechen und von einem Wechsel überzeugen werden. Einerseits, weil uns das Wohl der Kummerfelder Mannschaft, für die wir in den letzten Jahren viel Zeit und Herzblut investiert haben, ja auch weiterhin am Herzen liegt und wir für uns keine Entscheidung gegen den KSV, sondern eine für Rugenbergen getroffen haben. Und andererseits, weil wir jetzt ein Team übernehmen, das aktuell schon mit guten Spielern besetzt ist: Mit dieser Mannschaft wollen wir arbeiten.“

SportNord: Aber dieses Team ist in der Oberliga Hamburg Tabellenletzter und hat von seinen ersten elf Saisonspielen lediglich eines gewonnen!
Hachmann: „Das ist richtig, aber es ist auch erst ein Drittel der Serie 2022/2023 absolviert worden. Das ist unser großer Vorteil, dass wir noch viel Zeit haben, die Dinge geradezurücken. Ich mache keinen Hehl daraus, dass wir die Oberliga nicht allzu gut kennen. Aber das muss kein Nachteil sein, denn ich möchte in der Vorbereitung auf die nächsten Partien gar nicht so sehr auf die Gegner mit ihren Stärken und Schwächen schauen, sondern das hervorkehren, was wir gut können: Wir wollen mutig auftreten und nach vorne spielen. Da haben wir dieselbe Philosophie wie die Spieler von Rugenbergen. Und unabhängig von der Liga ist es ja auch so, dass Fußballspieler in erster Linie Menschen sind, die von ihrem Trainer gestreichelt werden und Spaß am Fußball haben wollen.“

SportNord: Damit wählen Sie eine ähnliche Herangehensweise, wie Christian Titz im Frühjahr 2018 beim Hamburger SV, wo er auch versuchte, mit einem mutigen Offensivspiel den Absturz in die Zweitklassigkeit zu verhindern. Dies ist für den Abstiegskampf aber nicht gerade üblich – sind Sie denn überzeugt davon, dass der Klassenerhalt gelingt?
Hachmann: „Ich glaube, dass es in der Oberliga einige Mannschaften gibt, die finanziell und vom Umfeld her ganz andere Möglichkeiten haben, mit denen wir uns deshalb nicht messen können. Aber ich denke auch, dass es vier, fünf Teams gibt, die wir hinter uns lassen können. Und dafür werden wir ab sofort alles investieren, wobei es für uns natürlich etwas unglücklich ist, dass ausgerechnet jetzt eine ‚Englische Woche‘ kommt und wir nach nur einer gemeinsamen Übungseinheit schon am Mittwoch, 12. Oktober beim SV Curslack-Neuengamme antreten.“

SportNord: In Kummerfeld haben Sie Wert auf ein sehr enges Zusammenspiel zwischen der ersten und zweiten Mannschaft gelegt. Wollen Sie dies auch beim SVR so praktizieren?
Hachmann: „Ja, das ist mir sehr wichtig. Wir haben, wenn ich richtig gezählt habe, einen Kader von 21 Feldspielern und drei Torhütern. In der heutigen Zeit, wo es immer wieder Corona-Erkrankungen und vermehrt andere krankheits- oder verletzungsbedingte Ausfälle gibt, kann es da schnell eng werden. Ich würde nicht, wie Interimstrainer Dennis von Bastian am 3. Oktober im Pokalspiel beim Heidgrabener SV, mit nur einem Ersatzkeeper und einem Feldspieler auf der Bank zu einer Partie fahren, sondern in diesem Fall immer Leihgaben von den zweiten Herren hochziehen. Natürlich liegen beim SVR aktuell drei Spielklassen zwischen den beiden Teams, aber ich wünsche mir trotzdem eine enge Verzahnung. Und ich bin da überaus zuversichtlich, denn beim SVR geht es sehr familiär zu. Und, auch das habe ich in den vergangenen Jahren immer wieder festgestellt: Sowohl bei Testspielen als auch bei Hallenturnieren sind die Aktiven wie die Verantwortlichen von Rugenbergen sehr sympathisch und charmant aufgetreten.“

SportNord: Haben Sie als Trainer denn neben Charme auch genug Erfahrung, um gestandene Oberliga-Spieler wie Worthmann, der auf mehr als 250 Einsätze in der Oberliga zurückblickt, Rühmann – fast 200 Oberliga-Spiele – und Jan Düllberg, der über 150 Mal in Hamburgs Beletage am Ball war, zu führen?
Hachmann: „Natürlich stehen wir jetzt in der Pflicht, zu beweisen, dass wir das, was wir in Kummerfeld mit 19-Jährigen geschafft haben, eine Etage höher bei Rugenbergen auch mit 28-jährigen, gestandenen Oberliga-Akteuren hinzubekommen. Uns ist vor dieser Aufgabe aber keinesfalls angst und bange, denn wir haben in Kummerfeld auch den als exzentrisch verschrienen Enzo Simon gut geformt. Und wenn wir es schaffen sollten, Utcke, der in der Vergangenheit immer dann, wenn ich ihn gesehen habe, ein Unterschiedsspieler war, in dieser Saison aber noch nicht richtig in Tritt gekommen ist, wieder in Form zu kriegen, dann sollten wir mit ein bisschen Spielglück schnell in die Spur finden.“

Interview: Johannes Speckner

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