Bezirksliga West: Seyhmus Atug trainiert den FC Elmshorn

Seyhmus Atug (links), der hier zusammen mit Vincent Janelt eines seiner zwei Oberliga-Saisontore bejubelt, betreut zukünftig den FC Elmshorn.
(Foto-Credit: Johannes Speckner)

Als Spieler hat Seyhmus Atug schon vieles erlebt: Er wurde dreimal Hamburger Meister (2015 und 2016 mit der TuS Dassendorf, 2019 mit Altona 93), schaffte drei Aufstiege (2014 mit dem Lüneburger SK und 2019 mit Altona in die Regionalliga Nord sowie 2020 mit dem VfL Lohbrügge in die Oberliga), scheiterte aber auch zweimal in der Aufstiegsrunde zur Regionalliga, nämlich 2018 mit dem FC Teutonia 05 und 2022 mit dem Wandsbeker TSV Concordia. Nun betritt Atug Neuland und übernimmt beim West-Bezirksligisten FC Elmshorn sein erstes Cheftrainer-Amt. Über sein Engagement am Ramskamp, wo er den am 30. Dezember zurückgetretenen Feyyaz Kilic (34) beerbt, und seine bisherige Karriere sprach der 30-Jährige im Interview mit SportNord ...

 

SportNord: Wie kam der Kontakt zum FCE zustande?
Seyhmus Atug: „Mit meiner Frau und meinem Sohn bin ich vor einem knappen Jahr von Hamburg nach Elmshorn gezogen. Wir wohnen nur rund 400 Meter von der Sportanlage Ramskamp entfernt. Weil ich einfach fußballverrückt bin, habe ich mir in den vergangenen Monaten einige Heimspiele und auch Trainingseinheiten des FCE angeschaut. Den Kontakt zum FCE-Vorstand hat dann mein Neffe Mert Acar (Anmerkung der Redaktion: Spielt als Verteidiger für den FCE) hergestellt.“

SportNord: Sie standen in den ersten zwölf Oberliga-Saisonspielen des WTSV Concordia in der Start-Elf, ehe Sie sich verletzt haben. Wie geht es mit Ihrer Spielerkarriere weiter?
Atug: „Das stimmt, gegen Altona 93 habe ich mir ohne gegnerische Einwirkung das Innenband gerissen. Normalerweise dauert es sechs bis acht Wochen, so eine Verletzung auszukurieren – weil ich mir aber auch das Delta-Band, das das unterste Band ist, gerissen habe, was nur sehr selten passiert, wie die Ärzte erklärten, wurde mir eine zehn- bis zwölfwöchige Pause empfohlen. Nun habe ich mit dem Aufbautraining begonnen, allerdings noch mit einer Schiene.“

SportNord: Und werden Sie Ihre Spielerkarriere bei Concordia parallel zu Ihrer Trainertätigkeit in Elmshorn fortsetzen?
Atug: „Ja, ich bin Vertragsspieler bei Concordia. Ich stehe dort bis zum 30. Juni 2023 unter Vertrag und will die Saison dort auch zu Ende spielen. Mit den FCE-Verantwortlichen bin ich auch so verblieben, dass ich das Traineramt erst einmal bis zum Sommer innehabe und beide Seiten schauen, wie es läuft. Das ist in gewisser Weise auch ein Freundschaftsdienst. Auf jeden Fall bin ich voller Vorfreude auf mein erstes Amt als Cheftrainer, nachdem ich bisher im Jugendbereich beim VfL Lohbrügge und bei Concordia schon Erfahrungen als Co-Trainer sammeln durfte.“

SportNord: Und auf welcher Mannschaft liegt Ihr Fokus, wenn etwa der FCE und Concordia gleichzeitig ein Spiel haben?
Atug: „Es ist klar so abgesprochen, dass mein Engagement bei Concordia nicht unter meiner neuen Tätigkeit für den FCE leiden darf und wird. Deshalb werden wir in Elmshorn auch die Trainingstage umplanen, weil dort bisher ebenso wie bei ‚Cordi‘ immer montags und mittwochs trainiert wurde. Zukünftig werden wir beim FC in der Regel dienstags sowie donnerstags trainieren und die Einheiten immer so legen, dass ich bei beiden Vereinen dabei sein kann.“

SportNord: Dann stehen Sie viermal pro Woche auf dem Trainingsplatz – bekommen Sie dann keinen Ärger mit Ihrer Frau?
Atug: „Sie kennt das schon so. Bevor die Corona-Beschränkungen kamen, hatte ich oft vier- oder fünfmal pro Woche Training. Dadurch, dass Concordia seine Heimspiele freitagabends austrägt, wurde es dann etwas weniger. Positiv für meine Familie und für mich ist es aber auf jeden Fall, dass der Aufwand für die Trainingseinheiten in Elmshorn deutlich geringer ist als der, wenn ich in Hamburg trainiere. Um an Concordias Training teilnehmen zu können, muss ich in Elmshorn um 17.30 Uhr losfahren und bin selten vor 22.30 Uhr wieder zuhause. Für das FCE-Training gehe ich um 19 Uhr bei mir zuhause los, baue alles für die Einheiten auf und bin um halb zehn wieder zuhause, sofern keine Gespräche mehr geführt werden.“

SportNord: Es war zu hören, dass der ETSV Hamburg, bei dem auch Ihr Cousin Beytullah Atug spielt, und auch der ASV Hamburg Sie in der Winterpause gerne als Spieler verpflichtet hätten. Weshalb haben Sie sich für einen Verbleib bei Concordia entschieden?
Atug: „In der Tat bin ich beim ETSV ins Gespräch gekommen, weil dort mein Cousin aktiv ist und wir gerne noch einmal zusammenspielen wollten. Der ETSV hat eine gute Mannschaft und will im Zweikampf mit dem Düneberger SV die Meisterschaft in der Landesliga Hansa und den Aufstieg in die Oberliga perfekt machen – das wäre auf jeden Fall eine sehr reizvolle Aufgabe gewesen. Aber die Concordia-Verantwortlichen haben mir signalisiert, dass sie weiter mit mir planen, und ich stehe natürlich auch zu meinem Wort. Beim ASV war es so, dass ich mit dem dortigen Coach Baris Saglam gesprochen habe, weil er mich in der Vergangenheit schon einmal trainiert hat – aber das wäre wenn überhaupt nur eine Option für den Sommer 2023.“

SportNord: Sie sind ja selbst Verteidiger – welchen Fußball wollen Sie mit dem FCE spielen?
Atug: „Ich bin ein sehr leidenschaftlicher Mensch und will diese Leidenschaft auch von meinen Spielern auf dem Platz sehen. Ich erwarte, dass sie eine hohe Laufbereitschaft an den Tag legen, will aber auch guten Fußball spielen lassen. Ich bewundere das Spiel, das die Mannschaften von den Trainern Jürgen Klopp und Josep Guardiola zelebrieren. Wie genau das am Ende umgesetzt wird, bleibt aber abzuwarten – und es ist auch klar, dass ich keinen Tiki-Taka-Fußball spielen lassen kann, wenn ich die Spieler dafür nicht habe, sondern mich da als Trainer meiner Mannschaft anpassen muss.“

SportNord: Was ist Ihnen denn bei Ihren bisherigen Besuchen bei den FCE-Spielen aufgefallen?
Atug: „Das Team hat in der Offensive einige sehr schnelle Spieler, war aber dann, wenn ich zugeschaut habe, nicht immer dazu in der Lage, sie so einzusetzen, wie es möglich gewesen wäre. Deshalb wollen wir in den kommenden Wochen daran arbeiten, zu versuchen, noch besser auf diese Zielspieler zu spielen. Außerdem wollen wir leidenschaftlich verteidigen: Als ich 2019 mit Altona 93 Hamburger Meister geworden bin, haben wir nur 24 Gegentore kassiert und in 34 Saisonspielen 17 Mal zu Null gespielt. Das hat mich geprägt und ich gewinne lieber mit 1:0, als mit 5:4. Aber jetzt muss niemand Angst haben, dass wir den italienischen Bus vor unserem Tor parken und Catenaccio spielen – wir wollen die richtige Mischung als Verteidigung und Angriff finden. Und dabei wollen wir ebenso flexibel wie unberechenbar sein.“

SportNord: Von welchem Ihrer Trainer haben Sie sich am meisten abgeschaut?
Atug: „Ich würde sagen, ich habe von jedem Trainer ein bisschen was mitgenommen. Etwas mehr als von den anderen vielleicht von Joe Zinnbauer, der wohl auf allen Ebenen der Beste war und mich am meisten geprägt hat. Er hat beim Karlsruher SC II mit einer hervorragenden Video-Analyse gearbeitet und die Mannschaft konditionell topfit gemacht, aber auch mit Menschlichkeit geglänzt. Murat Salar kam beim KFC Uerdingen 05 sehr viel über das Herz und das Familiäre.
In Dassendorf haben Thomas Hoffmann und Peter Martens vorgelebt, immer da zu sein und vorneweg zu gehen. Sie haben sich sehr ausführlich mit der Liga sowie den Gegnern befasst und in jeder freien Minute auf den anderen Sportplätzen die Staffel-Rivalen in Augenschein genommen. Dadurch haben wir als Spieler uns auch in einer gewissen Bringschuld gefühlt: Den Trainern gegenüber, die so viel geben, muss ein Spieler auch Dankbarkeit und Demut zeigen.
Bei Lohbrügge war es so, dass Sven Schneppel und Elvis Nikolic sich immer die Rolle des ‚bad cop‘ und des ‚good cop‘ geteilt haben. Außerdem haben sie viele Übungen aus dem Jugendfußball eingebaut, was allen großen Spaß gemacht hat. Berkan Algan war in Altona der erste Trainer in meiner Karriere, bei dem ich in einer Saison zwei Paar Laufschuhe verbraucht habe, weil wir extrem viel gerannt sind. Dadurch waren wir aber auch topfit und hätten gefühlt drei Halbzeiten am Stück durchspielen können, ohne K. o. zu sein.
Ganz anders war es unter Sören Titze, der bei Teutonia 05 gar keine reinen Laufeinheiten angesetzt, sondern alles spielerisch gelöst hat. Und dadurch, dass wir dort extrem viel mit dem Ball gemacht haben, haben wir eine enorme Spielstärke entwickelt und Ballbesitzfußball zelebriert. Aktuell lebt mir Stefan Gehrke bei Concordia einen sehr professionellen Umgang vor: Er ist stets der Erste, der da ist, und der Letzte, der geht. Außerdem stellt er uns perfekt auf die Gegner ein, auch mit einer hervorragenden Video-Analyse, und baut seine Einheiten so auf, dass wir Spielzüge aus dem Training in die Spiele übernehmen können.
Ich möchte versuchen, von jedem meiner Trainer etwas mitzunehmen. Ich weiß, dass ich dabei auch Fehler machen werde, das steht außer Frage. Aber es ist wichtig, dann dafür geradezustehen und das Beste aus der Situation zu machen. Ich will einen ehrlichen und direkten Umgang pflegen. Fußball ist ein Hobby, das sowohl den Spielern als auch mir als Trainer Freude bereiten sollte. Wenn irgendwann der Spaßfaktor nicht mehr da sein sollte, werde ich nicht mehr auf dem Fußballplatz zu sehen sein.“

SportNord: Kontakte sind ja immer sehr wertvoll. Planen Sie, Spieler, mit denen Sie in Ihrer bisherigen Karriere zusammengekickt haben, nach Elmshorn zu lotsen?
Atug: „Bevor derartige Wechsel angestrebt werden, gilt es erst einmal, zu schauen, wie viel Sinn ein Transfer macht. Stand jetzt hat der FC Elmshorn einen 22-Mann-Kader und ich fände es unfair gegenüber den Spielern, die im bisherigen Saisonverlauf das FCE-Trikot getragen haben, wenn ich jetzt schon vor dem ersten Training sagen würde, dass ich drei oder vier Neuzugänge mitbringe. Stattdessen möchte ich erst einmal den Jungs, die jetzt da sind, die Chance geben, sich zu zeigen. Sollte allerdings der eine oder andere Spieler kommen und mir sagen, dass er nicht mit mir kann oder will, dann müssten wir darauf natürlich reagieren. Und ohne Frage ist es immer so, dass Neuzugänge eine Mannschaft beleben – falls sich also etwas ergeben sollte, würden wir schauen, ob es passt.“

SportNord: Könnten Sie sich denn, wenn Sie über das Ende der aktuellen Saison hinaus FCE-Trainer bleiben, vorstellen, auch als Spieler an den Ramskamp zu wechseln?
Atug: „Auch darüber werden wir dann zu gegebener Zeit Gespräche führen. Jetzt für den Winter war das keine Option – einerseits, weil ich wie gesagt bei Concordia unter Vertrag stehe. Und andererseits, weil die Situation des FC Elmshorn tabellarisch entspannt ist: Die Mannschaft steht im gesicherten Mittelfeld. Wenn sie im Abstiegskampf stecken würde, hätte ich vielleicht gesagt, dass ich ihr auch als Spieler helfen möchte, um zu verhindern, dass sie absteigt und wir in der Kreisliga einen Neuaufbau einleiten müssen. Aber ich denke, bei aktuell zwölf Punkten Vorsprung auf die Abstiegszone müssten wir im Frühjahr wirklich alles falsch machen und den Fußballgott gegen uns aufbringen, um noch abzusteigen.“

SportNord: 2013 ist der FC Elmshorn Hamburger Meister geworden und hat nach dem Oberliga-Rückzug im Dezember 2014 bis zum Mai 2019 immerhin noch der Landesliga angehört. Ist es ein mittelfristiges Ziel, dass Sie den Verein wieder in höhere Gefilde führen?
Atug: „Sollten wir über den Sommer hinaus zusammenarbeiten, würde ich natürlich versuchen, gute Spieler zu holen. Dabei dürfen wir aber nicht vergessen, dass der FCE ein kleiner Verein ist, der in der Bezirksliga angesiedelt ist und den Spielern monetär so gut wie gar nichts bieten kann. Deshalb setzen wir auf andere Dinge: Bei uns geht es familiär zu und die Spieler sollen ein möglichst professionelles Umfeld vorfinden. Ihnen werden Schuhe, Trainingsanzüge sowie T-Shirts gestellt und die Trikots gewaschen.
Gerade in Bezug auf das Familiäre wäre es meiner Meinung nach aber falsch, Spieler zu holen, die aus Hamburg kommen und dann darauf erpicht sind, nach jedem Training und Spiel so schnell wie möglich wieder nachhause zu kommen. Stattdessen sollten wir unser Hauptaugenmerk darauf legen, Spieler, die in Elmshorn leben, aktuell aber in Richtung Hamburg fahren, um Fußball zu spielen, für uns zu gewinnen. Sie bringen bestenfalls auch noch ein paar Verwandte und Freunde als Zuschauer mit zu den Heimspielen, wodurch dann gleich eine Wohlfühl-Atmosphäre entsteht: Alle kennen sich, begrüßen sich und haben einen schönen Nachmittag oder Abend zusammen.
Spieler mit lokalem Bezug zu verpflichten, ist immer besser, als Legionäre zu holen. Ich arbeite hierbei eng mit Rainer Klaar und Uwe Wölm (Anmerkung der Redaktion: Vizepräsidenten des FCE) zusammen: Sie kennen in der Region viele gute Spieler und haben mir schon einige Namen genannt, die interessant sind. Hier könnte der TSV Buchholz 08, der zu guten Zeiten in der Oberliga 400 bis 500 Zuschauer hatte, als Vorbild dienen. Dass es in Elmshorn Potential gibt, zeigen etwa die Derbys des FCE gegen die SV Lieth, bei denen auch viele Besucher kommen. Das macht Spaß und bei sportlichem Erfolg ist zudem gefühlt jede Partie ein Topspiel.“

SportNord: Mit welcher Zielsetzung gehen Sie in die Restrunde?
Atug: „Natürlich wollen wir jede Partie gewinnen, und mit dieser Vorgabe werden wir auch auf das Spielfeld gehen. Aktuell liegen wir auf dem achten Rang und ein einstelliger Tabellenplatz sollte es am Saisonende sein – das sehen Rainer Klaar und Uwe Wölm so, und das ist auch mein Anspruch. Abgesehen davon möchte ich die Mannschaft weiterentwickeln und hoffe, dass die Spieler die Dinge, die wir im Training erarbeiten, auch während der 90 Minuten auf dem Platz zeigen. Dafür ist unsere tabellarische Ausgangslage optimal: Im Abstiegskampf sind Experimente unmöglich und im Aufstiegsrennen sollte auch nichts riskiert werden – wir dagegen können auch in den Punktspielen einiges probieren und die Restrunde dafür nutzen, Spieler auch einmal auf einer anderen Position einzusetzen.“

Interview: Johannes Speckner

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