Testspiel: FC St. Pauli gewinnt erneut mit 13:0 beim Hetlinger MTV

Dass Carlo Boukhalfa (FC St. Pauli, rechts), als er nach diesem Kontakt mit dem Hetlinger Yacouba Diarrassouba zu Boden ging, kein Elfmeter zugesprochen wurde, war absolut richtig.
(Foto-Credit: Johannes Speckner)

Die wohl schwierigste Aufgabe für Schiedsrichter Kevin Rosin (SV Lieth) war es, den Einlaufkindern und den Fahnenträgern, nachdem er die Mannschaften auf den Platz geführt hatte, die richtigen Positionen zuzuweisen. Anschließend wurde er während der Leitung des Testspiels zwischen dem Hetlinger MTV (Bezirksliga West) und dem Zweitligisten FC St. Pauli kaum gefordert. Dass der 31-Jährige die Gelbe Karte stecken ließ, als HMTV-Akteur Maximilian Wichern rund fünf Meter vor dem eigenen Strafraum hart in Carlo Boukhalfa hineingrätschte, war vertretbar. Und dass weder Schiedsrichter-Assistent Timo Rehder (Heidgrabener SV) seine Fahne hob noch Rosin pfiff, als Boukhalfa nach einem minimalen Kontakt mit Yacouba Diarrassouba im HMTV-Strafraum zu Boden ging, war definitiv richtig. Weitere strittige Szenen gab es nicht, zumal sich der Fünf-Klassen-Unterschied der Kiez-Kicker auch im Ergebnis von 0:13 wiederspiegelte.

Zum Sportlichen: Schon in der zweiten Minute gab es den ersten Torschuss von Serhat Imsak, den HMTV-Torwart Safouhat Gabsi parierte. Nach zehn Zeigerumdrehungen konnte Gabsi auch gegen Etienne Amenyido, der scheinbar mühelos an Tejan Bah und Hendrik Ramcke vorbeigezogen war, zunächst noch per Fußabwehr retten – den Abpraller versenkte Lukas Daschner aber von halbrechts aus zum 0:1. In der Folge erspielte sich die Heim-Elf einen Freistoß im linken Halbfeld und daraus resultierend auch einen Eckstoß aus der linken Seite. Torabschlüsse kamen dabei aber nicht heraus. Auf der Gegenseite wehrte Gabsi auch einen Schuss von Franz Roggow mit seinem Fuß ab, ehe er sich vergeblich streckte, als Imsak aus 18 Metern im Fallen flach links einschoss – 0:2 (16. Minute).

Richtig schön herausgespielt war das 0:3, bei dem Amenyido eine flache Hereingabe verwertete und hierbei davon profitierte, dass Gabsi von gleich mehreren Verteidigern die Sicht versperrt wurde (18.). Zehn Zeigerumdrehungen später bedeutete ein trockener 22-Meter-Schuss von David Nemeth das 0:4 (28.). Nachdem der ansonsten nahezu beschäftigungslose Gäste-Keeper Dennis Smarsch nach einem Rückpass in letzter Sekunde vor dem nachsetzenden Jan-Luca Bruckmann klären konnte (35.), fiel im direkten Gegenzug das 0:5. Daschner zog dabei rechts vorbei an Gabsi, der den Ball noch minimal berühren, aber nicht mehr entscheidend abwehren konnte, woraufhin Daschner zu seinem Doppelpack in das verwaise Gehäuse vollendete (33.). Nemeth tat es ihm gleich, indem er nach einem zunächst kurz ausgeführten Eckstoß die folgende Rechtflanke am langen Pfoste einköpfte (0:6/38.).

Obwohl sich Gabsi gegen Daschner zum dritten Mal mit einer guten Fußabwehr auszeichnen konnte (42.), musste er kurz darauf zum siebten Mal hinter sich greifen: Amenyido passte von rechts zu Roggow, der gegen Gabsis Laufrichtung einschoss (44.). Weiteres Ungemach noch vor der Pause blieb den Amateur-Kickern erspart, weil Imsak den Ball von halbrechts aus 18 Metern und vollem Lauf in hohem Bogen über Gabsi hinweg „nur“ an die Latte lupfte und Bah den Abpraller in höchster Not artistisch per Fallrückzieher aus der Gefahrenzone schlug (45.). Anschließend bat Rosin zur Pause und HMTV-Fußball-Abteilungsleiter Michael Kirmse zu einem Interview mit St. Paulis Präsident Oke Göttlich, in dem gegenseitige Nettigkeiten ausgetauscht wurden. „Wir fühlen uns sehr wohl im Deichstadion, das mir auch deshalb so gut gefällt, weil die Zuschauer auf der einen Seite auf dem Deich stehen können“, erklärte Göttlich, der zudem voll des Lobes für die Hetlinger Offiziellen war: „Die Veranstaltung ist perfekt organisiert.“

Vor dem Beginn der zweiten Halbzeit durfte sich der HMTV-Vorsitzende Robert Wieber übrigens „zumindest noch kleine Hoffnungen“ darauf machen, dass sein Tipp, ein 2:9 als Endstand, hinkommen würde: „Dafür müssen wir den zweiten Durchgang nur mit einem 2:2-Unentschieden gestalten ...“ Die Realität sah etwas anders aus. Zwar zählte ein Treffer von Imsak nicht, weil Rehder ihn im Abseits gesehen hatte (48.). Aber kurz darauf köpfte Jakov Medic eine Linksflanke in das kurze Eck ein und Ali Topkoc, der in der Pause den Posten zwischen den Pfosten des Hetlinger Gehäuses übernommen hatte, streckte sich vergeblich (50.). Mit viel Wohlwollen als „erster Torschuss der Hausherren“ angesehen werden könnte eine Aktion in der 52. Minute, in der der ebenfalls eingewechselte Luka Schmalfeld aus 33 Metern einfach mal abzog, den Ball allerdings in die Wolken jagte.

Zielstrebiger blieben naturgemäß die Profis: Bah grätschte und Topkoc sprang vergeblich, als Boukhalfa aus 18 Metern von halbrechts aus flach in das lange Eck einschoss – 0:9 (58.). Nachdem Topkoc einen Versuch von Medic stark abgewehrt hatte (61.), war nach 67 Minuten neben Wiebers Tipp auch die Hoffnung aller Hetlinger auf ein einstelliges Ergebnis zerstört: Marcel Beifus köpfte nach einem Eckstoß von der linken Seite am langen Pfosten freistehend aus sieben Metern ein. Während Topkoc anschließend vorzeitig Feierabend hatte und sich mit Lennart Ohms ein dritter Schlussmann versuchen durfte, den Schüssen des Zweitligisten entgegenzustellen, hatte auch St. Paulis Trainer Timo Schultz schon seinen Wechselwunsch angekündigt, als Niklas Jessen seine letzte Aktion des Tages nutzte, um mit einem Fernschuss auf 0:11 zu stellen. Anschließend machte der 18-Jährige Platz für Connor Metcalfe, der erst während der vergangenen Woche in Hamburg angekommen und deshalb von Schultz nicht für 45 Minuten berücksichtigt worden war.

Ohms hatte seine besten Szenen, als er einen Pfostenabpraller gedankenschnell vor dem nachsetzenden Medic, der als eigentlicher Innenverteidiger bei den unter akutem Stürmermangel leidenden Kiez-Kickern in vorderster Front zum Einsatz kam, unter sich begrub (72.) und kurz darauf auch Metcalfes Versuch parierte. Machtlos war der Keeper, als erneut Boukhalfa im Fallen aus 18 Metern ganz genau Maß nahm (0:12/82.). „Wenn wir das gehalten hätten, hätte ich immerhin ein besseres Ergebnis erreicht als vor sieben Jahren“, dachte HMTV-Trainer Burak Bayram zurück an den 30. Juni 2015, als die damals frisch in die Kreisliga aufgestiegene Hetlinger Mannschaft schon einmal gegen die Kiez-Kicker angetreten war. Das damalige Ergebnis gab es nun tatsächlich wieder, weil Marcel Hartel einen Rückpass, den Medic von rechts von der Grundlinie perfekt aufgelegt hatte, unter die Latte jagte (85.).

Dass es für die Hetlinger nicht sogar eine noch höhere Niederlage als vor knapp sieben Jahren setzte, lag daran, dass ein 20-Meter-Schuss von Luca Zander nur die Lattenoberkante touchierte (88.). „Und auch daran, dass die St. Paulianer in der Schlussphase das Tempo herausgenommen haben“, wie Jan-Luca Bruckmann befand. Bruckmann bekam wie Philipp Drews sein „Abschiedsspiel“ im HMTV-Trikot: Während der Offensivmann nun nach drei Jahren am Deich zum VfR Horst (Verbandsliga Schleswig-Holstein) weiterzieht, tritt Drews als „Ur-Hetlinger“ – er kickte schon in seiner Jugend für den HMTV – fußballerisch kürzer und zukünftig für Blau-Weiß 96 Schenefeld III, deren Trainer er zuletzt bereits war, in der A-Kreisklasse gegen den Ball. Beide Akteure dankten den HMTV-Verantwortlichen, dass sie gegen die Kiez-Kicker noch einmal mitwirken durften.

Schultz zog auf der anschließenden Pressekonferenz folgendes Fazit: „Die Hetlinger waren ein phantastischer Gastgeber. Gerade nach den letzten beiden Jahren, in denen derartige Partien aufgrund der Corona-Beschränkungen nicht möglich waren, ist so ein Freundschaftsspiel eine gute Sache, das uns allen viel Spaß gemacht hat. Ich habe mich über 13 schöne Tore gefreut, die Wurst war sehr lecker – und deshalb kann ich sagen, dass wir trotz der vielen Auswechslungen gerne noch einmal wiederkommen.“ Mit seinem Satz mit den vielen Auswechslungen spielte Schultz darauf an, dass sein Trainerkollege schon nach zehn Minuten erstmals gewechselt und mehrere Akteure nicht nur aus-, sondern auch wieder eingewechselt hatte, was natürlich zu Lasten des Spielflusses ging.

Bayram selbst gab zu Protokoll: „Wir haben das Spiel auf Video aufgenommen. Mein Co-Trainer Robert Stöckigt und ich werden es uns anschauen und unsere Schlüsse daraus ziehen. Aber, bevor wir hier über Fußball reden, möchte ich mich erst einmal bei allen bedanken, die sich daran beteiligt haben, diese riesige Veranstaltung auf die Beine zu stellen: Bei allen 150 ehrenamtlichen Helfern und bei allen Sponsoren.“ Zum sportlichen Auftritt seiner Schützlinge sagte der 30-Jährige: „Unsere Ziele, nicht zweistellig zu verlieren und selbst ein Tor zu schießen, haben wir leider nicht erreicht. Aber wir hatten einen ganz niedrigen Altersschnitt von knapp 21,5 Jahren und jeder von den Jungs hat alles gegeben, was in ihm steckte.“

(Johannes Speckner)

 Redaktion
Redaktion Artikel