Im Mai 2016 wäre die SV Este 06/70 als Bezirksliga-Vizemeister aufgrund ihres besseren Punkte-Quotienten anstelle des FC Union Tornesch in die Landesliga aufgestiegen - wenn sie nicht in den Niedersächsischen Fußball-Verband gewechselt wäre. Vier Jahre später kehrten die Ester zurück in den Hamburger Fußball-Verband, wo ihnen 2022 der Aufstieg in die A-Kreisklasse und ein Jahr später der Durchmarsch in die Kreisliga gelang.
Am vergangenen Sonnabend waren die Ester von einem Spielabbruch betroffen. Ihre Partie des achten Spieltages der Kreisliga 2 gegen den FK Nikola Tesla II war beim Stand von 6:2 schon nach 74 Minuten beendet, weil die Gäste einen Rassismus-Vorwurf erhoben. Marco Herrmann, Fußball-Abteilungsleiter der Ester und zusammen mit Nils Boldt auch Trainer, nahm im Gespräch mit SportNord Stellung.
"Zugegeben, von der Seitenlinie konnte ich natürlich nicht alles hören, was auf dem Platz gesagt worden ist. Aber ich vertraue dem Schiedsrichter und meinen Spielern, die dabei waren. Ich habe meine Spieler, von denen ich die meisten schon viele Jahre kenne, gefragt und sie haben mir versichert, dass außer den Wörtern 'Pst, sei leise' nichts in Richtung des gegnerischen Torhüters gesagt worden sei. Diese ganze Aktion spielte sich rund fünf Minuten vor dem Platzverweis für den Keeper ab.
Weil dies bereits die zweite Gelb-Rote Karte war, drängt sich der Verdacht auf, dass Nikola Tesla II damit, dass sie einfach vom Platz gegangen sind, weiteren Gegentreffern und einer noch höheren Niederlage entgehen wollten. Zumal mir ein Senioren-Spieler vom r TuS Finkenwerder berichtete, dass Nikola Tesla II im August beim Gastspiel in Finkenwerder schon ähnlich verfahren sein soll. Natürlich können wir es nicht beweisen, dass auf diese Art und Weise ein Spielabbruch provoziert werden sollte. Aber ich hoffe, dass bei der Verhandlung beim Hamburger Fußball-Verband alles aufgeklärt werden kann.
Erst hieß es ja von Tesla-Seite, dass ihr Torwart als 'Affe' beleidigt worden sei. Später hieß es dann, es wären Affenlaute vernehmbar gewesen - beides konnte niemand bestätigen, weder von den Zuschauern noch vom Schiedsrichter-Gespann. Ich lege auch meine Hand dafür ins Feuer, dass keiner meiner Spieler Affenlaute machen würde. Zudem sollten sich einige Tesla-Spieler einmal selbst hinterfragen: Der Spieler, der die Gelb-Rote Karte bekommen hat, und einer seiner Mitspieler hatten definitiv ein Aggressionsproblem.
Ich fand es beschämend, dass der gegnerische Trainer über unseren Platz rennt und laut schreit: 'Ihr seid Rassisten, gegen Rassisten spielen wir nicht.' Das ist eine Verallgemeinerung und eine Verunglimpfung aller Spieler und Verantwortlichen unseres Vereins, die wir so nicht auf uns sitzen lassen wollen. Deshalb hoffe ich, dass sich die ganze Angelegenheit beim Verband aufklären wird, und dann möchte ich auch eine Klarstellung haben, damit diese Vorwürfe komplett aus der Welt geschafft werden und nichts Negatives gegen uns hängen bleibt.
Sollte Nikola Tesla II Recht haben und einer unserer Spieler sich diskriminieren geäußert haben, wäre ich komplett auf Tesla-Seite. So etwas würden wir nicht dulden - selbst 'normale' Beleidigungen lassen wir in unserem Verein nicht durchgehen. Und Rassismus hat bei uns keinen Platz. Aber ich möchte diesbezüglich auch darauf hinweisen, dass in unserem Rechtssystem jeder Mensch so lange unschuldig ist, bis er rechtskräftig für schuldig erklärt worden ist. Und dass wir ein Wochenende zuvor in unserem Spiel bei Inter 2000 vom Gegner beschimpft und bedroht worden sind, interessiert leider niemanden.
Abschließend möchte ich noch darauf hinweisen, dass unserem Team auch zwei Flüchtlinge - einer aus Afghanistan und einer aus Eritrea - angehören. Die beiden Spieler sind zwar leider noch nicht für uns spielberechtigt, aber hervorragend von der Mannschaft aufgenommen werden. Von Rassismus sind wir ganz, ganz weit entfernt. Wir sind ein weltoffener Verein, der neben den Schiedsrichtern auch seine Gegner herzlich willkommen heißt. Während der 90 Minuten soll es auf dem Platz ein hartes, aber faires Duell geben, in dessen Anschluss wir unseren Gegnern gerne die Hände geben und noch ein Bier mit ihnen zusammen trinken."
(Johannes Speckner)