
Auch, weil der ETSV Hamburg im Sommer 2014 noch einmal mehrere starke Neuzugängen verpflichtete, galt er vor dieser Spielzeit als Titel-Favorit. Zur Saison-Halbzeit liegen die „Eisenbahner“ in der Bezirksliga Ost aber nur auf dem achten Platz und haben, nachdem sie am vergangenen Sonntag zum Hinrunden-Abschluss beim SC VW Billstedt 04 II ein 4:4-Unentschieden erreichten, acht Punkte Rückstand auf den Herbstmeister FC Bergedorf 85.
„Damit kann man nicht zufrieden sein“, polterte Rolf Gerdau und präzisierte als Erster Vorsitzender des ETSV auf Nachfrage von SportNord: „Wenn man sieht, was wir an Spielermaterial haben, müssten wir in der Tabelle definitiv weiter oben stehen – aber wir mussten feststellen, dass viele gute Einzelspieler nicht gleich automatisch eine gute Mannschaft bilden!“ Dass die Hinrunden-Bilanz mit sechs Siegen, drei Unentschieden und bereits fünf Niederlagen nur mittelmäßig ist, führt Gerdau auch auf die fehlende Hierarchie innerhalb des Teams zurück: „Wir haben zu viele Häuptlinge, aber keine Wasserträger ...“ Eigentlich kann Gerdau nichts Schlechtes über seine ETSV-Spieler berichten: „Sie sind alle gute Fußballer und auch menschlich feine Charaktere – aber ein Problem ist es, dass sich jeder von ihnen so fühlt und gibt, als sei er der Kapitän ...“
Die Hoffnung, dass die Wende zum Guten noch gelingt, hat Gerdau aber noch nicht aufgegeben: „Wir sind nun immerhin seit sechs Runden ungeschlagen – sollten wir die drei bis zur Winterpause noch anstehenden Spiele allesamt gewinnen, geht vielleicht noch etwas nach oben ...“ Allerdings räumt Gerdau auch unumwunden ein, dass er eine deutlich bessere Hinrunde erwartet hatte: „Wir alle, Trainer und Offizielle, haben gedacht, dass wir mit dieser Mannschaft in der Bezirksliga Ost ganz oben dabei sein werden!“ Bei einem Blick in die Vergangenheit findet Gerdau sogar genügend abschreckende Beispiele, dass es in der Tabelle auch ganz schnell komplett in die andere Richtung gehen kann: „Als der SV Werder Bremen einst Jupp Heynckes eingekauft hat, wäre der Verein beinahe abgestiegen“, sagte Gerdau. Der ETSV liegt aktuell „nur“ fünf Zähler vor der Abstiegszone.
Gerdau fordert „von allen Spieler, dass sie sich in den Dienst der Mannschaft stellen“. Speziell wandte er sich hierbei an Christoph Hammel, der im Sommer vom Hansa-Landesligisten SC Schwarzenbek an den Mittleren Landweg kam, sowie an Saboor Khalili (kam vom Oberliga-Aussteiger Oststeinbeker SV) und Patrick Westermann (kam vom Oberligisten SC Vier- und Marschlande). „Bei ihren vorherigen, höherklassigen Vereinen waren sie jeweils tragende Säulen – bei uns müssen sie nun aber vor allem das Wohl der Mannschaft im Blick haben!“ Gegen ETSV-Trainer Jussi Romppanen richtete Gerdau ausdrücklich „keine Vorwürfe“, sondern erstickte eine aufkommende Trainer-Diskussion bereits im Kein: „Unser Coach kann ruhig weiter arbeiten, und das auf jeden Fall bis zum Saisonende – wie es dann weitergeht, müssen wir abwarten“, sagte Gerdau.
Zum Rückrunden-Auftakt gastieren die „Eisenbahner“ am Freitag, 14. November beim Tabellen-Fünften SV Nettelnburg-Allermöhe. „Der SVNA hat ein starkes Team“, hat Gerdau Respekt vor dem Gegner, sagte aber auch: „Wir hoffen, in der Rückrunde noch einmal angreifen zu können – und dafür müssen wir dieses Spiel gewinnen!“ Ob Gerdau und seine Mitstreiter versuchen werden, im Winter weitere Neuzugänge an den Mittleren Landweg zu locken, ist noch fraglich: Es sei „nicht einfach, in der Winterpause gute Spieler zu bekommen“, gab Gerdau zu bedenken und betonte: „Zu teure Spieler werden wir nicht verpflichten, und es gibt ja inzwischen auch im Amateur-Bereich teilweise horrende Ablöse-Forderungen ... Verträge können wir den Spielern auch nicht geben – also wird es nicht einfach sein, im Winter die richtigen Spieler zu finden!“