Bezirksliga Süd: 0:3 und Acht-Punkte-Abzug für Bingöl


Am 21. April war die seit dem 21. Spieltag offene Nachholpartie der Bezirksliga Süd zwischen Harburger Türksport und FC Bingöl beim Stand von 0:1 nach 78 Minuten abgebrochen worden, nachdem ein Bingöl-Anhänger mehrere Zuschauer bedroht haben und auch mit einem Messer aufs Spielfeld gelaufen sein soll (SportNord berichtete, siehe unten stehenden Link). Am Mittwoch, 19. Mai, befasste sich das Sportgericht des Hamburger Fußball-Verbandes mit den Geschehnissen.


Folgende Entscheidungen wurden getroffen:

– Die abgebrochene Partie wird mit 3:0-Toren und drei Punkten für den Harburger Türksport gewertet.
– Dem FC Bingöl werden am Ende dieser Saison acht Punkte abgezogen.
– Der FC Bingöl muss alle seine Pflichtspiele bis zum 30. September 2010 ohne eigene Zuschauer absolvieren.
– Der FC Bingöl muss bei jedem Auswärts-Pflichtspiel bis zum 30. September 2010 an die jeweiligen Heim-Vereine Entschädigungszahlungen für die entgangenen Zuschauer-Einnahmen in Höhe von 250,00 Euro pro Partie zahlen.


Nazim Capa, Erster Vorsitzender von Türksport, erklärte am Donnerstag zudem auf Nachfrage von SportNord: „Das Verfahren gegen uns wegen mangelndem Ordnungsdienst ist eingestellt worden, weil der HFV unser Verhalten, schon vor der Partie mit der Polizei zusammenzuarbeiten und Polizei-Schutz anzufordern, akzeptiert hat!“ Capa empfindet das Urteil „als gerecht“, gab aber auch zu bedenken: „Wie soll es verhindert werden, dass bei den Auswärtsspielen von Bingöl Sympathisanten des Vereins unter den Zuschauern weilen? Mir ist nicht ganz klar, wie der Verband es verhindern will, dass beispielsweise bei einer Partie zwischen dem Harburger SC und Bingöl am Rabenstein auch Bingöl-Anhänger am Spielfeldrand stehen ... Deshalb bin ich der Meinung, dass, wenn diese Strafe wirklich wirkungsvoll sein soll, in dem besagten Zeitraum alle Bingöl-Spiele komplett unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden müssten!“

Die Bingöl-Verantwortlichen, die am Donnerstag von SportNord nicht für eine Stellungnahme erreicht werden konnten, könnten noch Einspruch gegen das Urteil einlegen. Capa dazu: „Wir von Türksport akzeptieren und respektieren die Entscheidung des Sportgerichtes, und die Bingöl-Verantwortlichen täten meiner Meinung nach gut daran, dies ebenfalls zu tun. Ich denke, dies werden sie auch tun, denn als wir uns vor zwei Wochen mit dem Bingöl-Präsidium getroffen haben machte es den Anschein, als würden auch diese Herren die Wahrheit herausfinden wollen!“ Da die Polizei bei den Tumulten nach dem Spielabbruch mehrere Personen festgenommen hatte, hatte der HFV beide Vereine aufgefordert, bei der Staatsanwaltschaft Akteneinsicht zu beantragen. „Obwohl mein Anwalt diesen Antrag sofort eingereicht hat, haben wir die Ermittlungsakten nicht bekommen, sodass wir sie dem Sportgericht leider nicht geben konnten“, so Capa.

Somit konnte das HFV-Sportgericht nicht überprüfen, welchem Verein die verhafteten Personen eventuell angehören. Capa vermutete: „Wir werden sicherlich bald Einsicht in die Ermittlungsakten erhalten, und wenn Bingöl jetzt Einspruch einlegen würde, könnten dem Verbandsgericht die Akten vorgelegt werden ... Und dann könnte es gut sein, dass die Strafe für Bingöl schlimmer ausfallen wird. Fakt ist: Der Acht-Punkte-Abzug tut Bingöl nicht weh, denn aufsteigen konnten sie sowieso nicht mehr, und absteigen müssen sie auch ohne die acht Punkte nicht ... Je nachdem, wie viele Auswärtsspiele sie bis zum 30. September zu absolvieren haben, müssen sie mehrmals 150,00 Euro zahlen, was aber im Vergleich zu der im November 2009 wegen der Schlägerei nach der Partie gegen Türk-Birlikspor Pinneberg verhängten Strafe von 1.500 Euro vergleichsweise wenig ist. Wenn Bingöl nun Einspruch einlegen würde, könnten sie sich damit ins eigene Fleisch schneiden!“

Lobende Worte fand Capa für die Sportgerichtsverantwortlichen, die sich von 20.30 bis 22 Uhr mit dem Fall befassten: „Diese Herren haben sich sehr viel Mühe gegeben, die Wahrheit herauszufinden“, so Capa, der aber harte Kritik am Schiedsrichter der abgebrochenen Partie, Thomas Grage (von der Groß-Flottbeker SV), übte: „Obwohl zum Beginn der Verhandlung sein Sonderbericht noch einmal vorgelesen worden war, konnte er sich auf einmal nicht mehr daran erinnern, wieso er das Spiel abgebrochen hatte: Zunächst sagte er, er hätte die Begegnung abgebrochen, weil ein Zuschauer mit einem glitzernden Gegenstand auf den Platz lief ... Wenig später erklärte er dann plötzlich, zum Abbruch sei es gekommen, weil die Spieler nicht weiterspielen wollten!“ Capa vermutet, dass Bingöl vor einer schweren Zukunft steht: „Vor dem Abbruch waren sie Rang-Dritter, danach haben sie aus fünf Partien nur noch einen Punkt geholt!“

Ein Bingöl-Spieler, dessen Name SportNord bekannt ist, der aber darum bat, anonym zu bleiben, sagte dazu: „Es nervt unsere Mannschaft sehr, dass wir auf dem Platz alles geben, um erfolgreich zu spielen, und dann einige wenige Idioten unter den Zuschauern mit ihrem Verhalten alles kaputt machen!“ Momentan ist Bingöl mit 47 Punkten Tabellen-Sechster; nach dem Abzug der acht Zähler wäre der Klub nach dem derzeitigen Stand Rang-Siebter. Zum letzten Saisonspiel gastiert Bingöl am Sonntag, 30. Mai, ausgerechnet beim Tabellen-Achten Türk-Birlikspor. Zur Erinnerung: Nach dem 1:1-Unentschieden im Hinspiel am 8. November 2009 hatten mehrere Zuschauer Spieler und Verantwortliche von Türk-Birlikspor brutal angegriffen (SportNord berichtete). Capa vermutet vor dem Rückspiel: „Nachdem Bingöl zuletzt keinen Fuß mehr fassen konnte glaube ich dass sie, wenn sie bei Türk-Birlikspor überhaupt antreten, nur noch mit Ersatz-Spielern auflaufen!“

Durch die drei Punkte am „Grünen Tisch“ hat der Drittletzte Türksport, der im Bingöl-Spiel zwölf Minuten vor dem Abpfiff bekanntlich mit 0:1 zurück lag (!), nun plötzlich wieder die Chance, den Klassenerhalt doch noch zu schaffen: Der Rückstand auf Eintracht Lokstedt, das den rettenden 13. Rang belegt und eine um 23 Treffer bessere Tordifferenz hat, beträgt nun nur noch zwei Punkte. „Wenn wir am letzten Spieltag beim HSC gewinnen und Lokstedt gegen Grün-Weiss Harburg verliert, wären wir gerettet“, weiß Capa. Gefragt, ob er angesichts dieser Konstellation auch einer Neu-Ansetzung der Partie gegen Bingöl zugestimmt hätte, entgegnete der Präsident und Interimstrainer des türkischen Klubs: „Ich hätte es eigentlich weder unserer Mannschaft noch dem Bingöl-Team zumuten wollen, zu einem Wiederholungsspiel antreten zu müssen – da hätte mich unser Vorstand dann wirklich überstimmen müssen, damit wir diese Partie nicht kampflos mit 0:3 verloren geben ...“

(JSp)

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