Aufstiegsrunde zur Regionalliga: Altona 93 scheitert im Acht-Tore-Drama

Hier behindern sich die Altonaer Adrian Goransch (2. von links) und Veli Sulejmani (2. von rechts) gegenseitig, anstatt gegen die Todesfelder Julius Kliti (links) und Christian Rave einen Torschuss abzugeben. Im Gegenzug traf Kliti zum 5:3-Endstand.
(Foto-Credit: Johannes Speckner)

Die Szene erinnerte an die fünfte Nachspielzeit-Minute des Relegationsspiels zwischen dem SV Wehen Wiesbaden und dem SSV Jahn Regensburg tags zuvor, als sich die Wehener Robin Heußer und Aleksandar Vukotic gegenseitig behinderten, anstatt zum 2:2 auszugleichen – und auch deshalb aus der 2. Bundesliga abstiegen. Am Mittwochabend kamen sich mit Adrian Goransch und Veli Sulejmani zwei Akteure von Altona 93 in die Quere, anstatt von halblinks im Strafraum aus aussichtsreicher Position einen Torschuss abzugeben, der den 4:4-Ausgleich hätte bedeuten können. Im Gegenzug gelang dem SV Todesfelde das Tor zum 5:3-Endstand, woraufhin die Segeberger ihren erstmaligen Aufstieg in die Regionalliga Nord feierten – den die Altonaer dafür verpassten.

Es war ein echtes Drama, das sich am Mittwochabend vor 4.116 Zuschauern auf der Adolf-Jäger-Kampfbahn abspielte. Weil zahlreiche Besucher zur eigentlichen Anstoßzeit von 19.30 Uhr noch vor den Eingangstoren standen, wurde der Anpfiff um eine Viertelstunde nach hinten verlegt. Als der Ball dann rollte, hatten trotzdem noch nicht alle Anwesenden ihren Platz eingenommen – und verpassten somit möglicherweise die Todesfelder Blitz-Führung: Eine Ablage von Rafael Krause versenkte Til Weidemann von halblinks per Flachschuss in die lange Ecke (2. Minute). Die Altonaer schüttelten sich einmal kurz und kamen dann relativ schnell zum Ausgleich, als Michael Ambrosius einen von der rechten Seite kommenden Einwurf einköpfte (9.).

Es war in der Anfangsphase ein wilder Ritt, in dem die Hausherren gerade die Kontrolle zu gewinnen schienen (Pascal El-Nemr verpasste von halblinks gegen SVT-Torwart Fabian Landvoigt das 2:1/15.), als die Gäste erneut zuschlugen: Nach einem Eckstoß zog 93-Akteur Gianluca Przondziono im Luftkampf den Kürzeren gegen Dustin Thiel, der zum 1:2 einköpfte (20.). Dieses Mal dauerte es nur drei Zeigerumdrehungen, bis die Heim-Elf zurückschlug: Während ein Freistoß in den Todesfelder Strafraum segelte, ertönte ein Pfiff und Schiedsrichter Maximilian Nie-Hoegen (vom ASV Altenlingen) entschied auf Elfmeter, weil ein Altonaer von einem Gegenspieler umklammert worden sein soll. El-Nemr trat an und verwandelte aus seiner Sicht rechts halbhoch, auch wenn Landvoigt in die richtige Ecke sprang (23.).

Somit fielen im ersten Viertel der Partie – die Nachspielzeit mit eingerechnet – vier Tore, was einen hohen Unterhaltungsfaktor ergab. Dieser wurde nochmals verbessert dadurch, dass neben den zahlreichen Altonaer Anhängern auch die Todesfelder Sympathisanten ihr Team lautstark anfeuerten. Nach einer halben Stunde hatten die Hamburger das Momentum dann auf ihrer Seite: Erst jagte SVT-Kapitän Marco Pajonk den Ball von halblinks aus über die Latte (30.); kurz darauf hechtete 93-Stürmer Rasmus Tobinski eine Linksflanke sehenswert per Kopf in die lange Ecke, was er ausgelassen vor der Haupttribüne feierte.

In der Pause wurde unter der Altonaer Anhängerschaft vornehmlich darüber diskutiert, ob dieses 3:2 schon zum Aufstieg genügen würde – bei diesem Endstand wäre der Hamburger Meister in die Regionalliga geklettert, sofern die Todesfelder am Sonntag, 2. Juni, nicht ihrerseits mit 4:3 oder 5:4 gegen den SV Werder Bremen II gewonnen hätten –, oder lieber noch einen Zwei-Tore-Vorsprung herausschießen sollten, um ganz sicher zu gehen. In der Todesfelder Kabine wurden derweil andere Pläne geschmiedet: SVT-Trainer Björn Sörensen schwor seine Schützlinge mit der Ansage, dass „noch nichts vorbei ist“, sondern sie „in der zweiten Halbzeit noch alles erreichen könnten“, ein.

Der zweite Durchgang begann zwar mit zwei passablen Offensivaktionen der Hausherren, als erst der frisch eingewechselte Michael Gries aus 22 Metern links vorbei zielte (49.) und dann Landvoigt weit vor seinem Strafraum vor dem heranpreschenden El-Nemr klärte (51.). Doch in der Folge setzte sich das fort, was sich schon in der Anfangs- und Schlussphase der ersten Halbzeit gezeigt hatte: Die Altonaer standen zu tief und bekamen den beweglichen Pajonk („Er hat den Unterschied ausgemacht“, fand der SVT-Vorsitzende Holger Böhm) nie in den Griff.

In der 53. Minute hatte der Hamburger Meister noch das Glück des Tüchtigen, als der ebenfalls agile Weidemann vom linken Eck des Fünfmeterraums knapp am langen Pfosten vorbeizielte. Vier Zeigerumdrehungen später war aber neben dem Glück auch der Vorsprung aufgebraucht: Einen Schuss von Julius Kliti klärte 93-Kapitän Yannick Petzschke in höchster Not vor der Linie, aber Weidemann machte das Spielgerät wieder scharf, dem schließlich Pajonk die entscheidende Richtungsänderung gab – 3:3. Die Altonaer um Keeper Dennis Lohmann reklamierten auf Abseits, doch Schiedsrichter-Assistent Mika Jungclaus (TSV Lamstedt) hatte nichts zu beanstanden.

Spätestens jetzt war das Momentum wieder auf Seiten von Schleswig-Holsteins Oberliga-Meister, der schon bei einem Unentschieden eine gute Ausgangsposition besessen hätte, nun aber offensichtlich mehr wollte. Einen Weidemann-Flachschuss fing Lohmann noch (60.), während die Gäste-Anhänger lautstark skandierten: „Ohne Tofe wär‘ hier gar nichts los.“ Weidemanns nächster Versuch (65.) und auch ein Schuss von Kliti wurden abgeblockt von der vielbeinigen Altonaer Abwehr, die dann aber wieder einmal bei einem ruhenden Ball nicht im Bilde war: Pajonk stieg nach einem Eckstoß am höchsten und köpfte zum 3:4 ein (67.).

„Danach haben wir hinten fast nichts mehr zugelassen“, frohlockte SVT-Verteidiger Kai-Fabian Schulz, der einst beim Hamburger SV II seine erste Herren-Station gehabt hatte. Einen gefährlichen Freistoß musste Landvoigt noch fangen (75.), aber aus dem Spiel heraus fiel den Altonaern nichts mehr ein. Dass drei Tage nach dem 0:1 bei Werder Bremen II auch das zweite und letzte Aufstiegsrunden-Spiel verloren gehen würde, war traurige Gewissheit, als Kliti in der 88. Minute von halbrechts aus per Flachschuss in das lange Eck auf 3:5 stellte. Auch in der siebenminütigen Nachspielzeit wollte den wie gelähmt wirkenden 93-Akteuren nichts mehr gelingen, ehe sie nach dem Abpfiff zu Boden sanken.

„Es tut mir leid für die Altonaer, die ein sehr sympathischer Gastgeber waren“, sagte Böhm, der „gut mitfühlen konnte“ mit dem Gegner, da seine Todesfelder fast auf den Tag genau zwei Jahre zuvor an der Griegstraße ihre damaligen Regionalliga-Hoffnungen begraben mussten, als sie dem Bremer SV auf neutralem Platz mit 0:2 unterlagen. „Jetzt wieder an einem Mittwochabend hierherzufahren und den Aufstieg klarzumachen ist unfassbar schön“, jubelte Schulz, der nun „voller Vorfreude auf die Regionalliga“ ist.

93-Trainer Andreas Bergmann war auf der anschließenden Pressekonferenz natürlich zerknirscht, stellte aber auch klar, dass er sein Ja-Wort, an der Griegstraße zu bleiben, dem verpassten Aufstieg zum Trotz nicht bereuen würde: „Es macht mir einfach unfassbar großen Spaß, hier zu arbeiten – deshalb ist es mir auch nicht schwergefallen, zu verlängern.“ Auf dem Rasen tobte derweil die Todesfelder Aufstiegsparty, wobei die Altonaer Ordner die SVT-Anhänger besser vom Rasen fernhalten konnten als zuvor die 93-Akteure ihre Gegenspieler vom Tor ...

(Johannes Speckner)

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