
Seltsame Blüten treibt die jüngste Entwicklung beim Moorreger SV. Ausgerechnet am 30. Juni und somit dem letzten Tag, an dem für Spieler Vereinsaustritte möglich gewesen wären, erklärten Cheftrainer Arne Frank und Liga-Betreuer Mathias Jürs ihren sofortigen Rücktritt. „Der Zeitpunkt ist nun einmal so, wie er ist“, sagte Kai Emmer, der als bisheriger Stellvertretender Fußball-Abteilungsleiter plötzlich der erste Mann bei den MSV-Kickern ist ‒ weil Martina Bohl bereits am Mittwoch ihren Rücktritt vom Posten der Fußball-Abteilungsleiterin am Himmelsbarg erklärt hatte. Was aber war zuvor geschehen? „Einige Mitglieder der Fußball-Abteilungsleitung und ich waren unterschiedlicher Auffassung bezüglich der Zukunft des MSV“, sagte Martina Bohl, die allerdings nicht näher darauf eingehen wollte, wo genau diese Unterschiede lagen.
Allerdings sei es, ergänzte Martina Bohl, „nicht explizit um den Herren-Fußball, sondern die gesamte Ausrichtung der Abteilung Fußball gegangen“. Etwas konkreter wurde Emmer: „Ich denke, wir haben die gleichen Ziele − nur der Weg, wie wir dorthin kommen wollen, ist ein anderer.“ So habe der Fußball-Vorstand „einiges hinterfragt“ und sei unterschiedlicher Meinung darüber gewesen, ob ein Jugendtrainer, der als Spieler zu einem benachbarten Verein wechselte, weiter Coach am Himmelsbarg sein könne. „Ich vertrete den Standpunkt, dass er sehr wohl als Trainer bleiben kann; Frau Bohl hatte dagegen Angst, dass er Abwerbung betreiben würde“, erläuterte Emmer, der es zudem „bedauerte“, dass er und seine Vorstandskollegen „zuletzt relativ wenig Einblick in den Liga-Bereich hatten“. Für Martina Bohl ergaben sich daraus jedenfalls „Loyalitäts- und Entscheidungskonflikte“, die sie „aufgrund der Erfahrungen der letzten Jahre definitiv nicht mittragen konnte“.
Martina Bohl, Frank und Jürs verstanden sich in den letzten Jahren, in denen die unzählige Gespräche über die MSV-Kicker führten, stets als Team. „Deshalb war für Jürs und mich klar, dass wir, wenn Frau Bohl ausscheidet, auch gehen“, sagte Frank, der am Donnerstagabend letztmals das Training am Himmelsbarg leitete und sich damit exakt am 30. Juni mit dem Ende seines alten Vertrages vom MSV verabschiedete. „Das war aber Zufall“, versicherte Frank, der Ende Mai in einem Telefonat mit Martina Bohl signalisiert hatte, auch für die kommende Saison zur Verfügung zu stehen: „Ich habe damals gesagt, dass wir es noch einmal probieren können, wenn wir ein paar Dinge regeln.“ Die Grundlage jeder Vertragsverlängerung sei es aber gewesen, dass das Führungsteam in seiner bisherigen Besetzung ‒ also mit Martina Bohl und Jürs ‒ zusammenbleibt: „Und diese Grundlage ist durch den Rücktritt von Frau Bohl weggefallen.“
Frank hatte das Traineramt am Himmelsbarg im Sommer 2012 von Dirk Kaiser übernommen und die Moorreger zwei Jahre später zum Aufstieg in die Kreisliga geführt, wo zweimal der Klassenerhalt gelang. Der erstmalige Triumph beim „Wanderpokal der Raiffeisenbank Elbmarsch“ im vergangenen Sommer in Haseldorf sowie der erstmalige Moorreger Gewinn des „freundlich & fair-Preises der Sparda-Bank Hamburg“ in der Hinrunde der Saison 2014/2015 sind weitere Erfolge, die auf immer untrennbar mit ihm in Verbindung gebracht werden. „Die vier Jahre stehen für sich und waren großartig, aber zugleich auch hart, intensiv und am Ende sehr lehrreich“, so Frank, dem es wichtig war, die bis zum letzten Tag herrschende Einheit mit Martina Bohl und Jürs zu demonstrieren: „Wir haben es gemeinsam angefangen und zu Ende geführt.“
Martina Bohl schlug ähnliche Töne an, als sie klarstellte, dass sich das Führungstrio „immer als Team verstanden und mit sehr viel Leidenschaft die Arbeit verrichtet“ habe, und zwar „in guten wie in schlechten Zeiten“. Als die Moorreger im Frühjahr eine Negativserie durchmachten, kam deshalb am Himmelsbarg auch keine Trainerdiskussion auf. Auch der Verlust von acht Spielern sei kompensiert worden, wie Frank klarstellte: „Es gibt einige gute Neuzugänge ‒ aktuell stehen 21 Spieler auf der Kaderliste der Ersten Herren.“ Frank geht davon aus, dass die Akteure dem Verein die Treue halten. „Bleibt als Team zusammen“, beschwor auch Jürs die MSV-Spieler, bevor er sich vom Himmelsbarg verabschiedete. Das Trainingslager, das Jürs in seinem Heimatort Bokel für die Liga-Mannschaft geplant hatte, wird nun wohl nicht mehr stattfinden.
Laut Emmer ist der Kader, über den er zuletzt „leider keinen genauen Überblick“ gehabt habe, „deutlich kleiner“. Dennoch entgegnete Emmer auf die Frage, ob er zu seiner „Beförderung“ beglückwünscht oder bemitleidet werden wolle, ohne lange zu zögern: „Sie dürfen mir gratulieren!“ Emmer gab zu, im ersten Moment „geschockt“ gewesen zu sein, nachdem neben Martina Bohl auch Frank und Jürs ihren Hut nahmen. „Aber mein zweiter Gedanke war dann, was wir jetzt daraus machen − deshalb schauen wir nun beim MSV positiv nach vorne.“ Emmer sucht einen neuen Liga-Coach. Vorerst übernehmen die Spieler Tobias Hasenbruch (C-Lizenz-Inhaber) und Christian Posern die Trainingsleitung. Ein interner Kandidat wäre E-Jugend-Trainer Frank Bielfeldt, der einst sehr erfolgreich den SC Nienstedten im Herren-Bereich betreute; als externe Option brachte Emmer den Namen Stephan Roesler ins Spiel, der zuletzt kurz vor dem Ende der Saison 2015/2016 beim West-Bezirksligisten SC Pinneberg zurückgetreten war.
Kurios: Als Frank, der zuvor im Freizeitliga-Bereich tätig war, im Sommer 2009 das Traineramt beim SC Cosmos Wedel übernommen hatte, war seine Bilanz fast identisch mit der jetzigen beim MSV: Einem sechsten Kreisklassen-Platz in der Premieren-Saison folgte ein Jahr später als Vizemeister der Aufstieg in die Kreisliga, wo mit dem zwölften Platz der Ligaerhalt gelang. Auf die Frage nach seiner Zukunftsplanung entgegnete Frank, dass er seinen Abschied vom MSV „nun erst einmal sacken lassen“ müsse. Sollte sich ein interessierter Verein aus dem Kreis Pinneberg oder dem Hamburger Westen melden, würde sich der in Wedel lebende Übungsleiter „aber jedes Angebot anhören“, wie er abschließend betonte.