Lotto-Pokal: TuS Holstein stoppt Eisenbahn-Zug

Der Quickborner Torwart Nick Hoffmann (rechts) bei seiner zweiten Elfmeter-Parade gegen ETSV-Akteur Veli Sulejmani (nicht im Bild). Schiedsrichter Michael Wischer (SV Rugenbergen) schaut genau zu.
(Foto-Credit: Johannes Speckner)

„Vielleicht war es ein Dämpfer zur rechten Zeit.“ Co-Trainer Matthias Märtens versuchte, das Positive hervorzukehren, nachdem sein ETSV Hamburg am Montag in der vierten Runde des Lotto-Pokals die erste Pflichtspiel-Niederlage dieser Saison hinnehmen musste. Dass die „Eisenbahner“ beim Ablauf der regulären Spielzeit beim TuS Holstein Quickborn mit 3:1 führten, dann aber noch zwei Gegentore kassierten und im somit fälligen Elfmeterschießen verloren, sei „eigentlich nicht zu erklären“, fügte der frühere Mittelfeldspieler im Team-Kreis der ETSV-Kicker hinzu.

Selbst Uwe Langeloh, immerhin seit über 75 Jahren Mitglied im TuS Holstein, konnte sich „nicht erinnern, etwas Vergleichbares schon einmal erlebt zu haben“. Das Quickborner Urgestein sprach von „einer echten Sensation“ und hatte damit keinesfalls übertrieben, denn die Eulenstädter, im Sommer nachträglich als zweitbester Kreisliga-Vizemeister in die Bezirksliga Nord aufgestiegen, galten als absoluter Außenseiter gegen die Eisenbahner, die als Spitzenreiter der Landesliga Hansa den Durchmarsch in die Oberliga anpeilen. Langeloh ging sogar soweit, zu sagen, dass das ETSV-Team „das im Verhältnis Unattraktivität und Stärke des Gegners undankbarste Los überhaupt“ gewesen sei, das seine Quickborner hätten erwischen können.

Dieses nahm die Mannschaft von TuS-Trainer Alexander Koll aber an und zeigte, dass sie neben einem unbändigen Kampfgeist durchaus auch spielerische Aspekte in die Waagschale werfen kann. Ein Missverständnis zwischen ETSV-Torwart Elian Clasen und Rechtsverteidiger Artur Hoppe bescherte den Hausherren zudem die frühe Führung: Tim Heinitz schnappte sich den Ball, der Hoppe unter dem Fuß hindurchgerutscht war, und schob zum 1:0 ein (6. Minute). Malte Pruchner verpasste den postwendenden Ausgleich, als er knapp vorbei zielte (8.). In der Folge hatten die Gäste zwar ein klares Übergewicht, aber die Hausherren trugen auch immer wieder nadelstichartige Gegenangriffe vor.

Nachdem Pruchner ein weiteres Mal gescheitert war (23.), egalisierte der Stürmer, der im Sommer vom MSV Pampow (Oberliga Nordost-Nord) an den Mittleren Landweg gekommen war, im dritten Anlauf zum 1:1 (30.). Nachdem hüben – ETSV-Akteur Veli Sulejmani traf den Pfosten/34. – wie drüben (Arbnor Veseli fand seinen Meister in Clasen/37.) jeweils eine gute Chance vergeben worden war, brachte Mark Brudler den Favoriten in der Nachspielzeit der ersten Halbzeit nach einem Eckstoß in Front (45.+2). Mit dem zweiten Durchgang betrat bei den Eulenstädtern Gökcan Gülcemal das Feld: Der zuletzt für den SV Lurup aktive Mittelfeldmann ist in Punktspielen erst an dem 2. Dezember für die Blau-Weiß-Roten spielberechtigt, durfte im Pokal aber schon jetzt mitwirken.

Nach einer ereignislosen Viertelstunde gewann die Partie ab der 60. Minute an Dramatik. Erst scheiterte George Kelbel an TuS-Torwart Nick Hoffmann (60.). Dann verpasste es Heinitz, einen Doppelpack zu schnüren, als er frei vor Clasen flach rechts am langen Eck vorbeischoss (61.). Wiederum im direkten Gegenzug setzte Kelbel den Ball nach einer Rechtsflanke neben den kurzen Pfosten (62.), ehe Brudler mit einer Grätsche in höchster Not gegen Gülcemal rettete (63.). „Heinitz muss den Ausgleich machen“, stöhnte Fikret Yilmaz, Sportlicher Leiter des TuS Holstein, für den „die Partie entschieden“ war, als Kelbel, früherer Drittliga-Spieler von Holstein Kiel, den Ball aus Metern via Innenpfosten in den rechten Winkel jagte (1:3/67.).

Ähnlich schienen die beiden Übungsleiter zu denken, denn sowohl Koll als auch Märtens wechselten zwecks Schonung einen Torschützen aus. Der beim TuS Holstein für Heinitz gekommene Khairullah Hassanyar hatte dann aber entscheidenden Anteil daran, dass es noch einmal spannend wurde. Denn nachdem er sich den Ball links an Clasen vorbeigelegt hatte und dann nach einem Kontakt mit dem Schlussmann zu Boden ging, entschied Schiedsrichter Michael Wischer (SV Rugenbergen) auf Elfmeter. Allen Protesten der „Eisenbahner“ zum Trotz blieb der Lehrwart des Bezirksschiedsrichter-Ausschusses Pinneberg auch nach einer kurzen Rücksprache mit seinem Assistenten Michael Maier bei dieser Entscheidung.

Kelbel wollte offensichtlich den TuS-Schützen Tom Meyer verunsichern, jedenfalls stellte er sich neben den Elfmeterpunkt. „Hat der Zehner dort einen Termin oder was macht er dort?“, rief Koll laut. Kelbel entgegneten, nachdem ihn Wischer weggeschickt hatte: „Guter Spruch, aber er war nicht ganz so gut, weil du gestottert hast.“ Sehr gut war die Ausführung des Elfmeters, den Meyer aus seiner Sicht flach links versenkte – Clasen hatte sich für einen Sprung in die andere Ecke entschieden (92.). Nun war noch eine Nachspielzeit-Minute auf der Uhr und nachdem Kelbel den Ball nach einem langen Pass der Gäste vorne nicht festmachen konnte, sezierte Gülcemal auf der Gegenseite mit seinem Schnittstellenpass die ETSV-Abwehr: Meyer erlief sich das Spielgerät und drückte es so am herausstürzenden Clasen vorbei, dass es gefühlt in Zeitlupe zum 3:3 über die Linie kullerte (93.).

Nachdem Clasen, der sich in dieser Szene verletzt hatte, behandelt worden war, ließ Wischer noch den Anstoß durchführen – und pfiff dann sofort ab. Der Jubel bei den Hausherren kannte keine Grenzen mehr und Jan Ketelsen, der als Trainer des Stadt-Rivalen 1. FC Quickborn (Kreisliga 1) unter den Zuschauern weilte, legte sich fest: „Damit, dass diese Wende noch gelingt, hatte niemand mehr gerechnet – und jetzt gewinnt der TuS Holstein auch das Elfmeterschießen, weil Nick Hoffmann schon in der ersten Runde (Anmerkung der Redaktion: Hier gewann der Bezirksliga-Neuling mit 4:1 im Entscheidungsschießen bei Kickers Halstenbek/A-Kreisklasse 1) als Elfmeter-Killer geglänzt hat.“ Und Ketelsen sollte Recht behalten, denn so lief das Elfmeterschießen:

Matthias Cholevas (ETSV) scheitert flach links an Torwart Nick Hoffmann.
1:0 – Tom Meyer (TuS Holsten) trifft flach links, auch wenn Torwart Clasen den Ball noch berührt.

1:1 – Devin Cengiz (ETSV) trifft flach links, Torwart Nick Hoffmann springt in die falsche Ecke.
2:1 – Gökcan Gülcemal (TuS Holstein) trifft flach links, Torwart Clasen springt in die falsche Ecke.

Veli Sulejmani (ETSV) scheitert links halbhoch an Torwart Nick Hoffmann.
3:1 – Fatih Sahin (TuS Holstein) trifft links halbhoch, Torwart Clasen springt in die falsche Ecke.

3:2 – Raffael Kamalow (ETSV) trifft rechts halbhoch, Torwart Nick Hoffmann springt in die falsche Ecke.
4:2 – Niklas Wolter (TuS Holstein) trifft flach halbrechts, Torwart Clasen bleibt stehen.

Damit war das Elfmeterschießen entschieden, bevor die letzten Schützen beider Teams – für die Heim-Elf wäre es Marvin Nietgen gewesen – zur Tat schritten. Während die Quickborner ihren Triumph ausgelassen feierten und mehrere Feldspieler ihren Torwart Nick Hoffmann auf Händen trugen, sprach Märtens gegenüber seinen Schützlingen weiter Klartext: „Diese Partie hat nicht der Schiedsrichter für uns verloren, und es hat auch kein einzelner Spieler verloren – sondern wir als Mannschaft haben versagt. Niemand hat es geschafft, zu hundert Prozent seine Leistung abzurufen. Und dann können wir eben auch gegen einen hochmotivierten Gegner aus der Bezirksliga verlieren. Das, was wir erlebt haben, sollte uns Warnung genug sein, zu sehen, wie schnell ein Spiel auch in die andere Richtung kippen kann.“

(Johannes Speckner)

 Redaktion
Redaktion Artikel