
Der Hamburger SV hat einen knappen Monat, nachdem er sich am 26. April von Bruno Labbadia (44) getrennt hatte, einen neuen Chefcoach verpflichtet: Armin Veh (49) nimmt ab sofort auf der HSV-Trainerbank, auf der zuletzt der Niederländer Ricardo Moniz (45) als Übergangslösung gesessen hatte, Platz. Auch die Suche nach einem Sportchef fand elf Monate, nachdem Dietmar Beiersdorfer (46) seinen Platz räumen musste, ein Ende: Bastian Reinhardt (34) beendet seine aktive Spieler-Karriere und fungiert ab sofort als Sportchef. Sowohl Veh als auch der bisherige Verteidiger Reinhardt überzeugten den HSV-Aufsichtsrat am Pfingstmontag in persönlichen Gesprächen und unterschrieben jeweils einen Zwei-Jahres-Vertrag bis zum 30. Juni 2012.
Veh, der am 1. Februar 1961 in Augsburg geboren wurde, wechselte im Sommer 1979 vom FC Augsburg (sieben Zweitliga-Spiele in der Saison 1978/1979) zum VfL Borussia Mönchengladbach. Am Bökelberg absolvierte er bis 1985 insgesamt 65 Bundesliga-Spiele (drei Tore) und erreichte 1980 das UEFA-Pokal-Finale. Zwischenzeitlich versuchte Veh in der Saison 1983/1984 sein Glück beim FC St. Gallen, für den er in der Ersten Schweizer Liga 18 Mal am Ball war. Nach Stationen beim FCA, TSV Schwaben Augsburg und SpVgg Bayreuth (53 Zweitliga-Spiele, ein Tor) beendete der Schwabe seine aktive Karriere. Von 1990 bis 1995 arbeitete Veh als Trainer beim FCA, mit dem er 1994 aus der Bayern-Liga in die Regionalliga aufstieg, ehe er 1996 zur SpVgg Greuther Fürth wechselte.
Mit den Franken schaffte Veh zwar 1997 den Aufstieg in die Zweite Liga, musste aber wenig später gehen. Mit dem SSV Reutlingen 05, den Veh 1998 übernahm, gelang 2000 der Zweitliga-Aufstieg. Im Dezember 2001 trat Veh jedoch an der Kreuzeiche zurück, um im Januar 2002 den damaligen Erstligisten FC Hansa Rostock übernehmen zu können. Mit der „Hansa-Kogge“ schaffte Veh zwei Mal den Klassenerhalt in der Bundesliga, trat im Oktober 2003 aber zurück. Dies bezeichnet Veh mittlerweile als „größten Fehler seiner Karriere“. Bis zum September 2004 war Veh anschließend wieder beim damaligen Regionalligisten FC Augsburg tätig. Nach anderthalbjähriger Pause beerbte Veh überraschend im Februar 2006 beim VfB Stuttgart den Italiener Giovanni Trapattoni (71).
Nachdem es im ersten Halbjahr nicht wie gewünscht lief, holten Veh und der neue VfB-Manager Horst Heldt (40) im Sommer 2006 zahlreiche Neuzugänge – und nach einem schwachen Start lief es bei den Schwaben immer besser, im Sommer 2007 wurde neben der Deutschen Meisterschaft auch das DFB-Pokal-Finale (2:3 nach Verlängerung gegen den 1. FC Nürnberg) erreicht. Veh wurde in Deutschland zum „Trainer des Jahres“ gewählt, musste aber am 23. November 2008 am Neckar gehen. Im Sommer 2009 übernahm Veh beim amtierenden Deutschen Meister VfL Wolfsburg von Felix Magath (56) die Aufgaben als Trainer, Sportdirektor und Geschäftsführer, ehe er im Januar 2010 vom neuen VfL-Manager Dieter Hoeneß (57) entmachtet und am 25. Januar auch als Coach entlassen wurde.
Reinhardt, der am 19. November 1975 in Ludwigslust (Mecklenburg-Vorpommern) geboren wurde, begann seine Spieler-Karriere in der Jugend beim Grabower SC, 1. FC Magdeburg und VfL Wolfsburg, ehe er in der A-Jugend zum HSV wechselte. Nebenbei baute Reinhardt im Gymnasium Heidberg sein Abitur und kickte von 1994 bis 1997 beim Hamburger Traditionsverein VfL 93, mit dem er 1996 aus der alten Regionalliga Nord in die alte Oberliga Hamburg/Schleswig-Holstein abstieg. Im Sommer 1997 verabschiedete sich Reinhardt als Oberliga-Meister vom Hamburger Borgweg und wechselte zu Hannover 96. Mit dem damals nur in der alten Regionalliga spielenden Traditionsverein gelang ihm auf Anhieb der Aufstieg in die Zweite Bundesliga.
Nach 58 Zweitliga-Spielen und vier Toren für Hannover zog Reinhardt im Sommer 2000 weiter zum DSC Arminia Bielefeld, wo nach zwei Jahren in der Zweiten Liga (65 Einsätze, fünf Treffer) 2002 der Aufstieg in die Erste Bundesliga gelang. Nach 34 Erstliga-Spielen und drei Toren verließ der Abwehrspieler die Alm und kehrte im Sommer 2003 zum HSV zurück, für den er insgesamt 176 Pflichtspiele (davon 132 Mal in der Ersten Liga) absolvierte und dabei neun Tore schoss. Im Sommer 2009 sollte Reinhardts auslaufender Vertrag zunächst nicht verlängert werden; nachdem der Verteidiger einen Mittelfußbruch erlitt, erhielt er aber doch noch einmal einen neuen Ein-Jahres-Kontrakt. Dass Reinhardt nun Sportchef wurde, kam wohl auch für ihn selbst sehr überraschend.
Bereits am Dienstag, 25. Mai, wurden Veh und Reinhardt im Rahmen einer Pressekonferenz in der HSH-Nordbank-Arena offiziell vorgestellt. Neu-Coach Veh erklärte: „Ich bin wirklich sehr glücklich, diese reizvolle Aufgabe bei diesem so großen Klub zu übernehmen. Ich denke, dass wir gute Chancen haben, etwas zu erreichen!“ Zudem hofft Veh, dass durch die Nicht-Teilnahme am europäischen Geschäft mehr Kräfte für die Bundesliga und den DFB-Pokal frei sein werden: So ärgerlich die verpasste Qualifikation für die Europa-League einerseits auch ist – für uns könnte dieser Umstand zum Vorteil werden!“ Zudem erklärte Veh, der mit einer Schweizerin verheiratet ist und zwei Söhne hat: „Ich blicke der Arbeit mit Reinhardt und Urs Siegenthaler im Team sehr positiv entgegen!“
Wie aber wird die genaue Aufgaben-Aufteilung zwischen dem neuen Sportchef Reinhardt und dem Schweizer Siegenthaler (63), der im Februar 2010 noch offiziell als neuer „Sportlicher Leiter“ verpflichtet worden war, aussehen? Reinhardt, der dem 29 Jahre älteren Siegenthaler etwas despektierlich „eine tolle Philosophie“ bescheinigte, wird sich vor allem um das Tagesgeschäft rund um die Bundesliga-Mannschaft kümmern. Siegenthaler, der bis zum Ende der Weltmeisterschaft noch als Chef-Scout beim Deutschen Fußball-Bund tätig ist (und nebenberuflich wohl auch weiterhin für den DFB arbeiten wird), ist vor allem für die Kader-Planung und die Nachwuchs-Förderung verantwortlich. Fakt ist: Im Gegensatz zum erfahrenen Siegenthaler erhält Reinhardt einen Sitz im HSV-Vorstand.
Dass es Konflikte zwischen ihm und Siegenthaler geben könnte, glaubt Reinhardt, der im Frühjahr, als er mit einem Muskelfaserriss mit dem Training pausieren musste, ein Praktikum auf der HSV-Geschäftsstelle absolvierte, nicht: „Ich war schon als Spieler ein absoluter Teamplayer und werde dies auch in meiner neuen Rolle so fortführen!“ Gefragt, ob seine Nähe zur Mannschaft, der er bis zum letzten Spieltag dieser Saison noch als Abwehrspieler angehörte, zum Problem werden könnte, entgegnete Reinhardt: „Nein, vielmehr kommt mir die Erfahrung, lange Zeit Teil des Teams gewesen zu sein, aber zum Schluss hin aufgrund der langen Verletzung auch bereits ein wenig Abstand und durchaus auch neue Sichtweisen gewonnen zu haben, bei meiner neuen Aufgabe zugute!“
Horst Becker (69), Aufsichtsratsvorsitzender des HSV, betonte: „Reinhardt ist ein Mann mit großem Sachverstand und mindestens ebenso großer Affinität zum HSV. Im Team mit Veh, der seit 20 Jahren im Trainergeschäft tätig ist, und Siegenthaler, seines Zeichens erwiesener Experte auf dem Gebiet der Nachwuchssichtung und -förderung, sehe ich diese Lösung als hervorragende Konstellation an!“ Dem pflichtete der HSV-Vorstandsvorsitzende Bernd Hoffmann (47) bei: „Ich halte die Entscheidungen und die Zusammenstellungen im Vorstand- und Trainerteam für die exakt richtigen. Nun sind die wichtigen Entscheidungen gefällt und wir schauen klar nach vorne!“ Anders als es Siegenthaler gewesen wäre dürfte Reinhardt im Vorstand kaum ein Widerpart zu Hoffmann sein.
Während Veh betonte, zwar auf Offensiv-Fußball zu setzen, aber auch noch neue Spieler für die Abwehr verpflichten zu wollen, verlängerte Stürmer José Paolo Guerrero (26) seinen am 30. Juni auslaufenden Vertrag um vier Jahre bis 2014. Der Peruaner traf zwar in bisher 131 Pflichtspielen für die „Rothosen“ 40 Mal – dennoch war sein Verbleib mehr als fraglich, nachdem er im Januar seinen Heimat-Urlaub mit Verweis auf „Flugangst“ verlängert und am 4. April nach dem Bundesliga-Spiel gegen Hannover einen HSV-Anhänger mit einer Trinkflasche beworfen hatte. Veh hält aber viel von Guerrero, den er im Sommer 2009 bereits nach Wolfsburg holen wollte. Unklar ist noch, wer dem Trainer-Stab von Veh angehören wird. „Das klären wir in naher Zukunft“, so Veh abschließend.
(JSp)