
Wie SportNord bereits berichtete, soll am 21. und 22. Oktober 2010 beim Bundestag des Deutschen Fußball-Bundes in Essen über eine Regionalliga-Reform diskutiert werden (siehe unten stehenden Link). Die von vielen Amateur-Vereinen geforderte Ausgliederung der Zweiten Mannschaften aus der Regionalliga in eine eigene Reserve-Liga im Rahmen des „2+1-Modells“ wird von den Erst- und Zweitligisten aber strikt abgelehnt.
Joachim Philipkowski, ehemaliger Liga- und U23-Trainer und nun Leiter des Nachwuchsleistungszentrums des Erstliga-Neulings FC St. Pauli, äußert sich im Interview mit SportNord über die Regionalliga-Reform und die zukünftige Spielklasse der Zweiten Mannschaft des Kiez-Klubs ...
SportNord: Welche Position bezieht Ihr Verein in der aktuellen Diskussion um eine Regionalliga-Reform?
Joachim Philipkowski: „Unter den derzeitigen Bedingungen, die es schon seit über zwei Jahren gibt, ist diese Liga für viele Vereine und auch für unsere Nachwuchs-Mannschaft finanziell eigentlich nicht tragbar. Ich denke dass bei den strengen Auflagen, die der Deutsche Fußball-Bund und die Deutsche Fußball-Liga gestellt haben, der Ansatz gefunden werden muss. Ansonsten sehe ich die Regionalliga für unsere talentierten Spieler als eine sehr gute Ausbildungsphase und Staffel an. Fakt ist: Der DFB ist hier ganz klar gefordert, seine Anforderungen herunterzuschrauben um es allen Vereinen, die sportlich die Qualifikation schaffen, zu ermöglichen, in der Vierten Liga zu spielen.“
SportNord: Was wäre Ihrer Meinung nach für die Zukunft am besten: Das 2+1-Modell mit einer eigenen Reserve-Liga, das bayrische Modell mit acht Viertliga-Staffeln – oder soll alles so bleiben, wie es ist??
Philipkowski: „Ich würde ganz klar das bayrische Modell bevorzugen – von einer eigenen Reserve-Liga halte ich gar nichts. Wenn man die alten Oberliga-Staffeln wieder einführen würde und wir im Norden mit den vier Landesverbänden von Schleswig-Holstein, Hamburg, Niedersachsen und Bremen wieder eine Oberliga Nord bilden würden, wäre das aus meiner Sicht eine vernünftige Liga, in der unsere U23 auch gut spielen könnte. Ich denke, dazu wird es auch kommen – alleine, weil es finanziell günstiger ist und man die weiten Fahrten zu den Auswärtsspielen in der vierthöchsten Spielklasse dadurch nicht mehr hätte.“
SportNord: Können Sie einer eigenen Reserve-Liga für Zweite Mannschaften irgendetwas Positives abgewinnen?
Philipkowski: „Meine Antwort ist hier ganz klar: Nein! Eine solche eigene Nachwuchs-Liga hatten wir früher schon einmal, dann wurde sie aber schnell wieder abgeschafft. Über die Gründe dafür weiß ich nichts – aber für unsere U23-Spieler ist es im Rahmen ihrer Ausbildung viel besser, wenn sie auch einmal beim 1. FC Magdeburg vor 15.000 Zuschauern spielen und nicht immer nur bei Hertha BSC Berlin II und beim VfL Wolfsburg II vor hundert Zuschauern ... Und wir würden auch gerne weiterhin in Magdeburg spielen – aber nicht unter den Bedingungen, die der DFB jetzt stellt. Der finanzielle Aspekt muss stimmen und dafür müsste sich sehr viel ändern!“
SportNord: Haben Sie, von den Interessen Ihres Klubs einmal abgesehen, Verständnis dafür, wenn Traditionsvereine wie der SC Preußen Münster es nicht gerade schön finden, wenn mehr als die Hälfte der West-Regionalligisten Reserve-Teams sind?
Philipkowski: „Oberflächlich betrachtet ist das volkkommen richtig – aber ich weiß dennoch nicht, warum diese Traditions-Mannschaften sich so aufregen. Sie können doch optimal sichten und bei jedem Spiel gegen ein Reserve-Team die Talente der Profi-Vereine unter die Lupe nehmen. Und auf die Spieler, die nicht das Niveau haben, sofort in die Erste oder Zweite Bundesliga zu kommen, haben Vereine wie Preußen Münster doch dann einen optimalen Zugriff, weil sie diese Akteure alle ein bis zwei Wochen quasi automatisch beobachten ... Ich hätte da deshalb kein großes Problem mit sondern würde mich freuen, von den Reserve-Teams gute Spieler verpflichten zu können!“
SportNord: Als der FC St. Pauli von 2003 bis 2007 in der alten Regionalliga Nord, die damals noch die dritthöchste Spielklasse war, gegen den HSV II, 1. FC Köln II, Werder II, Schalke II, Dortmund II, Mönchengladbach II, Leverkusen II, Hertha II, Wolfsburg II und Bielefeld II spielen musste, waren das aber auch nicht gerade Höhepunkte der Vereinsgeschichte ...
Philipkowski: „Da haben Sie Recht – aber man wird das nicht vermeiden können ... Glauben Sie mir: Eine Reserve-Liga geht sowieso in die Hose. In den 80ziger-Jahren ist bereits eine solche Nachwuchsliga gescheitert, ich glaube es war in der Saison 1983/1984. Und ähnlich war es in den 90ziger-Jahren, als 1992 ein weiterer Versuch einer Reserve-Liga ebenfalls scheiterte. Ich bleibe dabei: Es ist für die Spieler in den Zweiten Mannschaften der Profi-Klubs wichtig, nicht nur gegen andere U23-Teams in einer Reserve-Runde zu spielen, sondern sich unter echten Wettbewerbsbedingungen auch mit älteren und erfahrenen Akteuren von Ersten Mannschaften, die in ihren Stadien von heißblütigen Zuschauern unterstützt werden, messen zu können.“
SportNord: In welcher Spielklasse soll sich die Zweite Mannschaft des FC St. Pauli langfristig etablieren??
Philipkowski: „Lassen Sie es mich einmal so ausdrücken: Man soll immer so weit oben spielen wie möglich. Zunächst einmal ist es unser Ziel, mit unserer Zweiten Mannschaft die Rückkehr in die vierthöchste Spielklasse zu schaffen – unabhängig davon, ob dies weiterhin die jetzige Regionalliga Nord oder ab 2012 wieder die Oberliga Nord sein wird. Und wenn wir uns mit unserer Ersten Mannschaft über eine längere Zeit in der Ersten Bundesliga etablieren und wir in unserer U23 die nötige Qualität und die nötigen finanziellen Mittel haben, könnte der Aufstieg in die Dritte Liga ein Thema werden: Dort könnten unsere jungen Spieler natürlich eine noch bessere Ausbildung genießen und auch für die Liga-Spieler, die in der U23 Spielpraxis sammeln sollen, wäre das natürlich hervorragend!“
Interview: Johannes Speckner