Eine Woche nach der ersten Verhandlung, die vertagt worden war, befasste sich das Sportgericht des Hamburger Fußball-Verbandes am Mittwochabend erneut mit den Geschehnissen, die am 6. Oktober zum Abbruch der Kreisklassen-Partie zwischen dem Hetlinger MTV II und Gencler Birligi Elmshorn geführt hatten. Neben HMTV-Coach Caner Arda sowie Mümin Ahmet Oglou, Mitglied des Trainerteams von Gencler Birligi, hatte in der zweiten Oktober-Woche auch Schiedsrichter David Freundlich (Sportfreunde Pinneberg) die unschjönen Vorkommnisse bei SportNord kommentiert.
Die sportlichen Fakten wurden vom Sportgericht unter dem Vorsitz von Christian Koops schnell geklärt und die Elmshorner, die zum Zeitpunkt des Abbruches in der 53. Minute mit 2:1 geführt hatten, zum 3:0-Sieger erklärt. Sollte dieses Urteil rechtskräftig werden, würde Gencler in der Tabelle der A-Kreisklasse 1 mit nun 25 Zählern und 27:11-Toren nach Punkten gleichziehen mit dem Rang-Zweiten SC Cosmos Wedel II. Länger diskutiert wurde darüber, ob die Gencler-Spieler, die auf Videosequenzen zu sehen waren, wie sie sich mit körperlichen Attacken gegen die Angriffe mehrerer Zuschauer wehrten, und die vin den Gencler-Verantwortlichen fristgerecht bis zum Montag namentlich benannt worden waren, Strafen in Form von Sperren bekommen.
"Letztlich hat die ehrliche Schilderung eines der besagten Spielers das Gericht davon überzeugt, dass auch die Spieler, die geschlagen beziehungsweise getreten haben, dies getan haben, um sich zu verteidigen - was teilweise übrigens auch von Hetlinger Seite bestätigt wurde", erklärte Mehmet Karakavak, Vorsitzender von Gencler Birligi, nach er Verhandlung im Gespräch mit SportNord. Am Ende entschied das HFV-Sportgericht deshalb, keinen der Gencler-Spieler, die sich gegen die Zuschauer körperlich zur Wehr gesetzt hatten, zu sperren. Hetlinger Spieler befanden sich nicht auf der "Anklagebank", weil sie sich nicht an der Schlägerei beteiligt hatten.
Allerdings konnte die HMTV-Führung der Aufforderung des HFV-Sportgerichts, den Zuschauer, der als erstes über die Absperrung gesprungen war, namentlich zu benennen, nicht nachkommen. Auch die anderen Zuschauer, die in der Folge ebenfalls auf den Platz gestürmt und die Gast-Mannschaft attackiert hatten, wurden nicht namentlich benannt. Deshalb und wegen fehlenden Ordnungsdienstes wurde der HMTV zur Zahlung einer Geldstrafe von 1.000 Euro und sein Reserve-Team zum Abzug von drei Punkten verurteilt. Legen die Hetlinger keine Berufung gegen das Urteil ein, würden sie mit nur noch 15 Zählern und 31:29-Treffern vom vierten Platz hinter ihren Nachbarn TSV Holm auf den fünften Rang abrutschen.
Die Doppelbestrafung des HMTV II resultiert vermutlich daraus, dass es das Sportgericht für unglaubwürdig hielt, dass die Hetlinger die Namen der besagten Zuschauer, die direkt neben ihrer Bank standen, nicht kennen oder zumindest herausfinden konnten. Koops erklärte dazu sinngemäß, es sei "unwahrscheinlich" sei, dass zu Altona 93 II gehörende Zuschauer, die das vorherige Landesliga-Spiel der Hetlinger Liga-Mannschaft gegen Altona 93 II verfolgt hatten, anschließend noch im Deichstadion geblieben seien, "um sich die folgende Kreisklassen-Partie anzuschauen und Gencler-Spieler zu verprüfeln". Von noch härteren Sanktionen gegen die Hetlinger Reserve wie etwa der Verurteilung zur Austragung von Heimspielen ohne Zuschauer oder der Suspendierung vom Spielbetrieb bis zur namentlichen Nennung des besagten Zuschauers sah Koops ab.
Karakavak nannte es "sehr bedauerlich", dass die Zuschauer nicht identifiziert werden konnten. Im Hinblick auf kommende Heimspiele der Hetlinger Zweitvertretung äußerte der Gencler-Vorsitzende "die Hoffnung, dass dort nicht noch schlimmere Dinge geschehen, zumal es ja hieß, dass einer der Zuschauer ein Messer dabei habe". Dem am Sonntag, 23. März 2025 anstehenden Rückspiel (Anpfiff: 14.30 Uhr im Stadion Krückaupark) sehen Spieler wie Verantwortliche von Gencler Birligi verständlicherweise mit einem großen Unbehagen entgegen. "Wir werden vorher mit der Polizei Wedel, die die Ermittlungen zu den Geschehnissen in Hetlingen führt, und der für uns zuständigen Polizei Elmshorn das Gespräch suchen", so Karakavak, der zudem ankündigte, dass sein Verein "das Hausrecht ausüben und gewissen Personen den Zutritt zum Stadion verweigern" könnte.
Abschließend stellte Karakavak klar, dass sein Verein und er sich, dem 3:0-Erfolg zum Trotz, nicht als Sieger fühlen würden. "Unter den Geschehnissen vom 6. Oktober hat auch unser Ruf gelitten - vielerorts hieß es gleich 'typisch Gencler', obwohl wir nicht der Verursacher der Schlägerei gewesen sind", so Karakavak, der betonte: "Insofern tut der jetzt erfolgte Freispruch natürlich gut." Allerdings stellte der Gencler-Boss auch fest: "Der Sport war der große Verlierer an diesem Tag." Gefragt, wie es nun weitergehen könne, entgegnete Karakavak: "Schuldzuweisungen sind immer einfach - und in meinen Augen zu einfach. Wir alle müssen dafür sorgen, dass so etwas nicht wieder passiert." Hierfür schlug Karakavak "eine präventive Arbeit" vor.
Laut des Vorsitzenden von Gencler Birligi habe sich im Kreis Pinneberg in den letzten Jahren "in Elmshorn, in Uetersen, in Pinneberg und auch in Wedel eine Szene entwickelt, der vornehmlich junge Männer angehören, darunter teilweise unbegleitete, junge Flüchtlinge". Um diese Menschen in die richtigen Bahnen zu lenken, sei "die Gesellschaft gefordert", weiß Karakavak, der in Elmshorn schon seit vielen Jahren Integrations- und Sozialarbeit leistet. "In Elmshorn konnten wir das Problem größtenteils lösen, aber es ist nicht aus der Welt, weil es da einfach noch viele Konflikte und Spannungen gibt. Da befindet sich Deutschland in einem Prozess, der sich hier abspielt - und wir müssen mit Sozialeinrichtungen und Migrationsstellen dagegen steuern."