
Am Mittwoch kam es zum Jubiläumsspiel zwischen dem TuS Aumühle, der zuletzt in der Bezirksliga Ost Neunter geworden war, und dem FC St. Pauli, der in diesem Sommer als Zweitliga-Vizemeister den Aufstieg in die Erste Bundesliga geschafft hatte. Beide Klubs feiern in diesem Jahr ihr hundertjähriges Bestehen – und bei den 2.500 Zuschauern war die Stimmung hervorragend, auch wenn St. Paulis Chefcoach Holger Stanislawski (40) nur seine „B-Elf“ aufbot: Neben Co-Trainer André Trulsen (45) suchte man auch Stammkräfte wie Gerald Asamoah (31), Florian Bruns (30), Marius Ebbers (32), Fabio Morena (30) und Charles Takyi (25) auf dem Fritz-Bortz-Sportplatz vergeblich. Unter dem Lärm von zahlreichen Vuvuzelas waren die Kiez-Kicker auf dem Kunstrasenplatz an der Sachsenwaldstraße dennoch erwartungsgemäß von der ersten Minute an tonangebend.
In der achten Minute fiel das erste Tor für die Gäste: Nils Pichinot war mit einem herrlichen Drehschuss aus 18 Metern, der knapp neben dem linken Pfosten einschlug, erfolgreich. Stanislawski war dennoch nicht rundum zufrieden: „Max besser“, forderte der Coach von Max Kruse mehr Konzentration, nachdem dessen für Davidson Drobo-Ampem gedachter Pass ins Seiten-Aus rollte. Wenig später wäre ein Kruse-Pass zu Pichinot wohl besser gekommen, aber TuS-Verteidiger Martin Liedtke klärte auf Kosten eines Eckstoßes. Nach 20 Minuten dann der erste zaghafte Angriff der Hausherren, aber Fabian Ziethmann konnte sich gegen St. Pauli-Verteidiger Ralph Gunesch nicht behaupten. Nachdem Stanislawski nach einem Ballverlust von Pichinot harte Kritik geübt hatte („Pichi, lass den Scheiß!“), antwortete der Stürmer, der in der Saison 2008/2009 noch in der Aumühler „Nachbarschaft“ beim SV Curslack-Neuengamme gekickt hatte, mit einem Pfostenschuss (25.).
Drei Minuten später ging es dann ganz schnell – zu schnell für Aumühle: Gunesch eroberte im Mittelfeld den Ball und setzte auf der linken Seite Kruse ein. Der in Reinbek aufgewachsene 22-Jährige fand mit seiner Flanke Richard Sukuta-Pasu, der sich im TuS-Strafraum schön behauptete und aus Nahdistanz zum 0:2 traf. In der 35. Minute fiel dann aber der überraschende Anschlusstreffer für den Bezirksligisten: Ein Freistoß, den Christoph Schulz links von der Mittellinie in den St. Pauli-Strafraum geschlagen hatte, wurde von keinem Verteidiger des Bundesligisten geklärt. So gelangte der Ball zu Jan Henrik Rathmann, der ihn aus sechs Metern kompromisslos ins Netz zimmerte. Die Aumühler bejubelten dieses Tor verständlicherweise frenetisch, während Stanislawski etwas frustriert auf einer Getränkekiste kauerte. Als vier Minuten später ein weiterer Schulz-Freistoß in den Gäste-Strafraum segelte, flog Daniel Pechau nur knapp am Ball vorbei.
Nachdem TuS-Torwart Ole Dreves einen Fernschuss von Petar Filipovic hervorragend pariert hatte (32.), wurde er nach einer guten halben Stunde ausgewechselt. Felix Vornfeld, der nun das Aumühler Gehäuse hütete, machte seine Sache in einer Szene weniger gut: Ein 25-Meter-Schuss von Filipovic schlug mittig über Vornfeld im Netz sein – und da der Keeper die Sonne in seinem Rücken hatte, konnte noch nicht einmal die tiefstehende Sonne als Ausrede gelten. Ob sich Filipovic, der in der vergangenen Spielzeit ausschließlich für die St. Pauli-Reserve in der Regionalliga Nord aktiv war, mit seinem bereits sechsten (!) Treffer in dieser Saison-Vorbereitung nun endlich für ein eigenes Trikot „qualifiziert“ hat? An der Sachsenwaldstraße lief der 19-Jährige mit der Nummer sieben, die eigentlich Rouwen Hennings trägt, auf. Offensivmann Hennings (22), ein gebürtiger Bad Oldesloer, fehlte übrigens wegen eines grippalen Infekts ebenso wie Matthias Lehmann (27, Muskelfaserriss).
Nachdem TuS-Trainer Björn Schehr in der Pause seine zehn Feldspieler komplett gewechselt hatte, begann die zweite Halbzeit mit einer schönen Direktabnahme von Jan-Philipp Kalla, die aus spitzem Winkel aber knapp über den langen Pfosten des Aumühler Gehäuses strich (47.). Eine Minute später machte es Pichinot besser und stolperte den Ball, nachdem er nach einem Solo alleine vor dem TuS-Tor auftauchte, zum 1:4 ins Netz. Das 1:5 lag in der Luft, als eine Ecke von Sukuta-Pasu bei Fin Bartels landete, St. Paulis vom Zweitliga-Absteiger FC Hansa Rostock gekommener Neuzugang aber etwas zu hoch abschloss (50.). Nachdem Vornfeld einen Filipovic-Freistoß noch hervorragend um den Pfosten herum gelenkt hatte (55.), war er sich fünf Minuten später bei einem weiteren Freistoß von Kruse chancenlos – 1:5. Stanislawski musste derweil wiederholt Kinder, die Autogramme haben wollten, vom Spielfeldrand wegschicken: „Nach dem Spiel gebe ich euch Autogramme ...“
In der 62. Minute gab es dann noch drei Spieler-Wechsel: Während bei Aumühle mit Marc Gruber der dritte Torwart ins Spiel kam, wechselte Stanislawski mit Deniz Naki und Bastian Oczipka die beiden einzigen Feldspieler, die neben Ersatz-Keeper Matthias Hain auf der Bank saßen, ein. Auf laute „Stani-Stani“ rufe von Kindern reagierte Stanislawski locker: „Mach dich fertig, dann wechsel ich dich auch ein“, rief er einem kleinen Mädchen zu, das besonders laut gerufen hatte. Wenig später konnten die Aumühler ihren zweiten Treffer bejubeln: Frank Punert traf gedankenschnell zum 2:5 und konnte damit bereits sein viertes Tor in der Saisonvorbereitung bejubeln. Der 37-Jährige Gruber, einst beim SC Victoria und HSV Barmbek-Uhlenhorst höherklassig aktiv, forderte zwar umgehend seine Auswechslung („Mehr geht nicht!“), blieb dann aber doch auf dem Platz. Gegen Naki rettete Gruber gut (65.), ehe er bei einem satten Volleyschuss von Kruse zum 2:6-Endstand (72.) chancenlos war.
Anschließend begaben sich viele Zuschauer vorzeitig auf den Heimweg, um den Anpfiff des Weltmeisterschafts-Halbfinales zwischen Deutschland und Spanien (über dessen Endergebnis hier geschwiegen wird ...) daheim erleben zu können. Sie verpassten keine sehenswerte Szene mehr, denn in der Schlussphase ließen es beide Teams ruhiger angehen. Schehr, der seine überaus diszipliniert agierende Mannschaft schon während des Spiels immer wieder lautstark gelobt hatte („Das sieht sehr gut aus!“), war nach dem Abpfiff natürlich rundum zufrieden: „Das war ein großartiger Tag für uns, wir haben uns gut verkauft!“ Wahre Worte: Der Bezirksligist zog sich hervorragend aus der Affäre. Stanislawski erklärte: „Solche Testspiele auf den Dörfern sind für meine Spieler immer noch die wichtigsten Trainingseinheiten!“ Allerdings dürfte „Stani“ auch mit der Erkenntnis, dass der zweite Anzug seines Teams (noch) nicht passt, nachhause gefahren sein ...
(JSp)