Regionalliga: Teutonias neuer Coach Dietmar Hirsch im Interview


Am 18. September 1999 trat Dietmar Hirsch im Bundesliga-Spiel seines MSV Duisburg beim VfB Stuttgart aus 35 Metern zu einem Freistoß an. „Ich habe den Ball mit links so schlecht getroffen, dass ich mich schon weggedreht hatte – dann fielen mir auf einmal meine Mitspieler jubelnd in die Arme“, erinnert sich der heute 48-Jährige. Der Grund für die Freude der MSV-Kicker in jener 30. Minute war, dass der damalige VfB-Torwart Achim Holleriet das Spielgerät zwischen seinen Beinen zum 1:1 ins Netz rutschen ließ. Die Schwaben gewannen trotzdem noch mit 4:2 und die „Zebras“ stiegen am Saisonende aus der Ersten Liga ab.

Fast 22 Jahre später übernimmt Hirsch nun im Sommer das Traineramt beim Nord-Regionalligisten FC Teutonia 05 von Hollerieth (46; SportNord berichtete, siehe unten stehenden Link). Nun nahm sich Hirsch, der auf insgesamt 196 Erstliga-Spiele (elf Tore), 57 Zweitliga-Partien (fünf Treffer) und 126 Regionalliga-Begegnungen (acht Torerfolge) zurückblicken kann, Zeit für ein Interview mit SportNord ...


SportNord: Wann haben die Verantwortlichen von Teutonia 05 Kontakt zu Ihnen aufgenommen?
Dietmar Hirsch: „Wir haben vor ein paar Wochen zum ersten Mal miteinander geredet. Das waren zunächst ganz lockere Gespräche, die dann, nachdem wir uns gegenseitig beschnuppert haben, ernster geworden und schließlich zu einem erfolgreichen Ende gebracht worden sind.“

SportNord: Ob das Team, das die Regionalliga Nord in den Aufstiegsspielen zur Dritten Liga vertreten darf, unter Hinzunahme von Teutonia 05 sportlich ermittelt wird, ist fraglich. Wie planen Sie für die kommende Saison?
Hirsch: „Ich gehe davon aus, dass der Norddeutsche Fußball-Verband in nicht allzu ferner Zukunft entscheiden wird, ob der TSV Havelse für die Regionalliga Nord gegen den bayerischen Vertreter spielen wird, oder ob es hierfür noch eine Aufstiegsrunde gibt, an der möglicherweise die Mannschaften der Regionalliga Nord, die eine Drittliga-Zulassung beantragt haben, gegeneinander antreten. Fakt ist: Wir planen für die kommende Saison in der Regionalliga.“

SportNord: Bleibt die Dritte Liga denn das Ziel Ihres neuen Vereins?
Hirsch: „Ja, definitiv. Die Dritte Liga ist ein mittel- bis langfristig ausgelegtes Projekt und ich finde es gut, dass ein Verein aus Hamburg das angeht. In Hamburg ist es ja ähnlich wie in Schleswig-Holstein oftmals so, dass sich die Vereinsverantwortlichen scheuen, den Gang in die Regionalliga zu wagen – die TuS Dassendorf als Hamburger Serienmeister ist hierfür das beste Beispiel. Unbestritten sind in der Oberliga die Wege kürzer und dort gibt es mehr Derby, was vielleicht sogar einen höheren Zuschauer-Zuspruch garantiert. Insofern ist die Oberliga, rein wirtschaftlich betrachtet, der Regionalliga vielleicht vorzuziehen. Aber wir als Teutonia 05 wollen weiterkommen und peilen die Dritte Liga an – und das hat mich richtig angefixt. Ich habe schon mitbekommen, dass vielerorts das Misstrauen gegenüber den Plänen von Teutonia ziemlich groß ist. Wir werden sehen, wohin die Reise in den nächsten Jahren geht.“

SportNord: Wo leben Sie momentan?
Hirsch: „In Rheinberg, das liegt ein Stückchen nördlich von Moers und die nächste Großstadt ist Duisburg. Ich werde zeitnah nach Hamburg ziehen und mir dort eine Wohnung suchen. Meine ältere Tochter lebt schon seit 2015 in Hamburg und freut sich sehr, dass ich nun in ihre Nähe ziehe. Meine Frau wird in Rheinberg wohnen bleiben – auch, weil unsere Eltern hier in der Region leben, die etwas pflegebedürftig sind. Aber wir werden uns regelmäßig sehen, wobei meine Frau sicher häufiger in Hamburg sein wird, als ich am Niederrhein.“

SportNord: Sie haben lange im Westen Deutschlands gelebt, ehe Sie Ihre Spielerkarriere beim VfB Lübeck beendet haben. Wie gefällt es Ihnen in Norddeutschland?
Hirsch: „Der Westen ist meine Heimat. In der Saison 2000/2001, als ich bei der SpVgg Unterhaching gespielt habe, habe ich in München gewohnt, was für mich als Fan von den Bergen auch sehr schön war. Meine ältere Tochter wurde in Mönchengladbach geboren, hat einen Großteil ihrer Jugend aber in Lübeck verbracht und bezeichnet deshalb den Norden als ihre Heimat. Hamburg ist unbestritten eine sehr, sehr schöne Stadt – ich freue mich auf jeden Fall darauf, bald in Hamburg wohnen zu dürfen, und bin davon überzeugt, dass uns die Attraktivität der Stadt auch bei der Verpflichtung des einen oder anderen Spielers helfen wird.“

SportNord: In der Hoffnung, dass nach der Sommerpause nicht nur die Saison 2021/2022 regulär beginnen kann, sondern dann auch Zuschauer im Stadion erlaubt sein werden, gestatten Sie uns die Frage, welchen Fußball die Teutonia-Anhänger mit Ihnen an der Seitenlinie sehen werden!
Hirsch: „Schon bei meiner ersten Trainerstation beim SV Schackendorf, aber auch bei den Teams, die ich anschließend betreuen durfte, habe ich immer dominant und aggressiv spielen lassen. Wir wollen mit einem hohen, aggressiven Pressing agieren – darauf haben die Spieler auch richtig Bock und dementsprechend werden wir auch trainieren. Positiv ist, dass ich dadurch, dass ich schon jetzt als Trainer verpflichtet worden bin, auf die Kaderplanung einwirken kann – von Hessen Kassel etwa bin ich im Sommer 2019 drei Tage vor dem Trainingsauftakt geholt worden, was dann große Probleme nach sich zog. Auch bei Teutonia 05 steht der eine oder andere Neuzugang schon fest, aber da wird sich definitiv auch noch etwas tun.“

SportNord: In den vergangenen Jahren gab es bei Teutonia 05 zumeist ein reges Kommen und Gehen. Wird nun eine erneute Fluktuation herrschen, oder setzen Sie vornehmlich auf den bestehenden Kader?
Hirsch: „Es ist ganz klar besprochen worden, dass wir uns zunächst einmal mit den Spielern aus der aktuellen Mannschaft unterhalten. Dass sie eine gewisse Qualität hat, zeigt der Umstand, dass sie im Herbst 2020 in der Regionalliga Nord sehr gut mithalten konnte. Allerdings wollen wir in der kommenden Saison das Trainingspensum etwas erhöhen und an einigen Wochentagen auch vormittags trainieren. Da gilt es nun zu klären, welche Spieler das mit ihrem Beruf vereinbaren und eine Steigerung der Trainingsintensität mittragen können. Und wie gesagt, zu den bereits jetzt feststehenden Neuzugängen werden sich sicher auch noch weitere Spieler gesellen. Bei diesen Verpflichtungen kann und werde ich darauf achten, dass sie zu meiner Philosophie passen.“

SportNord: Also soll mit Ihnen bei Teutonia 05 mehr Professionalität Einzug halten?
Hirsch: „Ja, so haben wir es besprochen: Das ist die Vorgabe beziehungsweise ein Wunsch der Verantwortlichen, den ich auch so mittrage. Wir wollen da gemeinsam etwas Großes auf die Beine stellen und in allen Bereichen mehr Professionalität erreichen. Viele belächeln uns ja dafür, dass wir infrastrukturell noch nicht soweit seien, um in der Regionalliga oben dabei sein oder gar die Dritte Liga anpeilen zu können. Aber ich finde es gut, dass der Vorstand hohe Ziele hat, und diese sind auch realistisch, wenn wir hart arbeiten. Insgesamt sind Deutschlands Regionalligen ja schwer einzuordnen: In ihr spielen reine Amateur-Teams, semi-professionelle Mannschaften und die Zweitvertretungen der Profi-Vereine.“

SportNord: Sie sprachen die lange Vorlaufzeit, die Sie haben, als Vorteil an. Ist es im Gegenzug ein Nachteil, dass Sie Ihr zukünftiges Team aufgrund des bevorstehenden Saison-Abbruchs nicht mehr live in Aktion sehen können, sofern es nicht noch zu Aufstiegsspielen antreten oder zeitnah der Lotto-Pokal fortgesetzt werden darf?
Hirsch: „Nein, darin sehe ich kein großes Problem. Im Internet gibt es viele Videos von den letzten Spielen der Mannschaft, mit deren Kapitän Dino Fazlic ich beispielsweise auch schon beim VfB Oldenburg zusammengearbeitet habe. Aus meiner Zeit beim VfB kenne ich auch die Regionalliga Nord und kann behaupten, dass ich in der letzten Zeit das Geschehen in allen Regionalligen etwas verfolgt habe.“

SportNord: Werden Sie bis zu Ihrem offiziellen Arbeitsbeginn bei Teutonia noch einmal den Austausch mit dem jetzigen Trainer Achim Holleriet suchen?
Hirsch: „Wir kennen uns, weil wir zunächst in der Bundesliga gegeneinander und dann im Frühjahr 2008 beim VfB Lübeck zusammen gespielt haben. Damals haben wir uns gut verstanden. Aktuell hatten wir bisher keinen Kontakt und es ist ja auch immer eine Frage, wie der Vorgänger reagiert, wenn sein Nachfolger ihn anspricht. Ich weiß auch gar nicht, ob er in Hamburg lebt und wie die Begleitumstände von seinem Ausscheiden bei Teutonia gewesen sind, weshalb hier erst einmal ein paar Tage ins Land ziehen sollten. Ich wünsche ihm auf jeden Fall, dass er für die kommende Saison schnell eine neue Aufgabe findet – und ja, vielleicht werde ich ihn dann einfach mal anrufen ...“


Interview: Johannes Speckner

 Redaktion
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