
Von „einem Jahrhundert-Spiel“ sprach Heiko Jedamski, Spieler des TSV Heist (Kreisliga 8), als er Freunden am Sonntagabend vom Oddset-Pokal-Erstrunden-Duell berichtete, dass seine „Heistmer Jungs“ beim TSV Uetersen (A-Kreisklasse 6) mit 7:6 gewannen ‒ wohlgemerkt nach Verlängerung, nicht nach Elfmeterschießen. „So ein verrücktes Spiel habe ich noch nie erlebt“, sagten der Uetersener Team-Manager Uwe Brill und der Heistmer Trainer Ingo Jopp, der einst unter Brill für die Rosenstädter kickte, nach 120 nervenaufreibenden und dramatischen Minuten unisono.
Vor dem Anpfiff zog der Schiedsrichter den Unmut der Heistmer auf sich: Da ihm die weißen Trikots der Gast-Mannschaft zu ähnlich mit der roten Tracht der Rosenstädter waren, ordnete er an, dass sie mit Leibchen spielen mussten. Nach einem Abtasten in der Anfangsphase sah Jopp „eine leichte Feldüberlegenheit“ für sein Team, das nach einer Viertelstunde auch in Führung ging: Hauke Suhl zirkelte einen 30-Meter-Freistoß scharf auf das Tor und der Uetersener Florian Blaedtke fälschte den Ball noch ab, so dass er zum 0:1 im kurzen Eck zappelte. Das Spiel schien seinen erwarteten Verlauf zu nehmen − doch dann trafen die Hausherren innerhalb von 20 Minuten gleich fünfmal. „Alle Tore sind nach demselben Muster gefallen“, stöhnte Jopp. Tobias Brandt, dem Brill „eine ganz starke Leistung“ attestierte, glich nach einem langen Pass zunächst zum 1:1 aus (20.) und zog dann nach einem Ballverlust des Heistmers Jan-Luca Bruckmann an Gäste-Verteidiger Tim Ossenbrüggen vorbei, um von rechts aus spitzem Winkel zum 2:1 einzuschießen (26.). Drei Minuten später passte Brandt nach einem schnell ausgeführten Freistoß von links zu Pablo Moreira: Der Uetersener Spielertrainer schoss im Fallen flach rechts zum 3:1 ein und widmete sich dann, anstatt zu jubeln, lieber der Rasenpflege, um die Grassode, die er aus dem Boden getreten hatte, wieder festzudrücken.
Sogar 4:1 hieß es, als Brandt nach einem langen Pass im Gäste-Strafraum von Tim Ossenbrüggen attackiert wurde und ihm ein Elfmeter zugesprochen wurde, den er selbst verwandelte (35.). Wiederum nur drei Minuten darauf spielte Brandt nach einem Steilpass noch zwei Heistmer aus und schoss zum 5:1 ins kurze Eck ein. Dies war der Pausenstand, da der Heistmer Jedamski aus 20 Metern nur den Pfosten traf (40.). „Dass wir die Partie noch drehen könnten, hat zu diesem Zeitpunkt niemand mehr geglaubt“, gestand Jopp, der seiner Elf trotzdem eine offensivere Formation für die zweite Hälfte verordnete. Der dadurch aus dem Mittelfeld nach ganz vorne gezogene Bruckmann fand nach einem schönen Dribbling mit einem Querpass Jedamski, der aus zehn Metern zum 5:2 verkürzte (50.). Dieses Ergebnis hielt 17 Minuten lang, ehe die Gäste in der Schlussphase zur Aufholjagd bliesen. Einen Pass von Marc Richert leitete Bruckmann mit seiner Hacke weiter zum eingewechselten Rene Gill (Leihgabe der Zweiten Heistmer Herren), der sehenswert aus acht Metern ins lange Eck traf (67.). Kurz darauf tanzte Bruckmann zwei Uetersener aus und schoss aus 18 Metern zum 5:4 ins kurze Eck ein (74.).
Dann haderte Brill mit dem Schiedsrichter: Seiner Ansicht nach beging der Heistmer Verteidiger Fabian Hlede „eine klare Notbremse an Brandt“ − doch Hlede, der kurioserweise die B-Jugend des TSV Uetersen trainiert, durfte weiterspielen, obwohl er bereits mit „Gelb“ vorbelastet war. Stattdessen flog wenig später der Uetersener Recep Özdemir wegen wiederholten Foulspiels mit „Gelb-Rot“ vom Platz. Und als den Gästen nach einem verbalen Ausrutscher des Uetersener Torhüters Sven Holzäpfel ein indirekter Freistoß im Strafraum zugesprochen wurde, war es ausgerechnet Hlede, der den von Bruckmann abgelegten Ball überlegt zum 5:5 einschob (81.). Beinahe hätten die Heistmer die Partie sogar noch in der regulären Spielzeit komplett gedreht, doch Timo Diercksen traf nur den Pfosten (89.) und Richerts 20-Meter-Schuss hielt Holzäpfel stark (90.). In der Verlängerung gingen die Hausherren erneut in Führung: Einem Ballverlust der Gäste folgte ein langer Pass auf Brandt, der drei Heistmer ausspielte und aus zehn Metern das 6:5 erzielte (113.). Zu Brills Ärger fand ein weiterer Brandt-Treffer, der das 7:5 und somit höchstwahrscheinlich die Entscheidung zugunsten der Hausherren bedeutet hätte, keine Anerkennung (118.), ehe im direkten Gegenzug Richert nach einer feinen Einzelleistung aus zehn Metern zum 6:6 in die kurze Ecke vollendete (119.).
Als das Elfmeterschießen als des Dramas letzter Akt schon zu nahen schien, griffen die Gäste noch einmal über ihre linke Seite an und eine Bogenlampe des eingewechselten Calvin Schütze, wie Rene Gill eine Leihgabe der Zweiten Heistmer Herren, flog zum 6:7-Endstand in die lange Ecke (120.). „Das war kein Glücksschuss, sondern sah so gewollt aus“, betonte Jopp, der folgendes Urteil fällte: „Einer katastrophalen ersten Halbzeit folgte ein Charaktertest im zweiten Durchgang, den meine Mannschaft grandios bestanden hat“, urteilte Jopp. Dagegen klagte Brill: „Es ist sehr ärgerlich, dass wir eine 5:1-Führung nicht über die Zeit gebracht haben − bei unseren Konterchancen haben wir es leider verpasst, den Sack zuzumachen.“