Lotto-Pokal: Norderstedt gewinnt Drama bei Süderelbe

Zweikampf zwischen dem Norderstedter Falk Groß (links) und dem Süderelber Kapitän Ljubisa Panic.
(Foto-Credit: Johannes Speckner)

"Ich kann mich nicht erinnern, schon einmal ein Elfmeterschießen erlebt zu haben, in dem die ersten vier Schützen alle scheitern." Heiko Klemme ging es so, wie nahezu allen Zeugen des denkwürdigen Entscheidungsschießens, in dem sich der Nord-Regionalligist FC Eintracht Norderstedt am Dienstagabend beim FC Süderelbe (Oberliga Hamburg) mit 2:0 behauptete. Dies bescherte den Segebergern nach dem 3:3-Unentschieden nach Ablauf der regulären Spielzeit den Einzug in das Achtelfinale des Lotto-Pokals, der um eine denkwürdige Schlacht reicher wurde.

Zunächst schien am Kiesbarg alles seinen erwarteten Gang zu nehmen. Die Norderstedter hatten in der ersten Halbzeit "klare Vorteile", wie auch FCS-Co-Trainer Klemme zugab. Dies machte sich auch auf der Anzeigetafel bemerkbar. Strich ein erster Schuss von Moritz Niemann noch knapp am Ziel vorbei, so verschätzte sich FCS-Kapitän Ljubisa Panic kurz darauf bei einem hohen Ball; ihn konnte Manuel Brendel deshalb annehmen und aus der Drehung zum 0:1 einschießen (10. Minute). Nick Selutin verpasste in der Folge mehrmals das zweite Eintracht-Tor und einen gefährlichen Rückpass konnte FCS-Keeper Anton Westerholt soeben noch vor dem heranpreschenden Brendel klären.

Statt 0:2 oder 0:3 hätte es urplötzlich 1:1 stehen können, denn der Süderelber Davis Boateng zog vom linken Strafraumeck ab und traf die Oberkante der Latte (28.). Besser machte es wiederum Brendel: Als Henok Tewolde den herausstürzenden Westerholt überlupfte, wäre der Ball sehr wahrscheinlich im Netz gelandet - Brendel bugsierte ihn aber letztlich über die Linie (33.). Dieses Ergebnis hatte bis zur Pause Bestand, ehe sich nach dem Seitenwechsel auch das Blatt wendete: "Im zweiten Durchgang hatten wir das Momentum auf unserer Seite", stellte Klemme zufrieden fest.

Ob die Norderstedter das Weiterkommen gedanklich schon abgehakt hatten? Fakt ist, dass sie nach dem knapp verpassten 3:0 - den Hattrick vor Augen, traf Brendel nur die Latte (60.) - merklich nachließen. Dies nutzte die Heim-Elf. Erst bedeutete ein Schuss von Marcel Andrijanic, der noch abgefälscht wurde, den 1:2-Anschluss (67.). Dann landete ein 25-Meter-Kracher von Alexander Koval an der Latte und der Abpraller sprang zu Niklas Kiene, der mühelos zum 1:2 vollenden konnte, weil der am Boden liegende Eintracht-Torwart Dave Ceesay nicht mehr richtig hoch kam (73.). "Da brannte die Luft und der Mythos Kiesbarg war spürbar", betonte Klemme. 

Und es kam sogar noch besser für den Oberligisten: Eine Freistoßflanke, die Andrijanic aus dem linken Halbfeld auf den langen Pfosten zog, konnte der eingewechselte Theodoros Ganitis freistehend zum 3:2 einköpfen (82.) - die Partie war gedreht! Die Pokal-Überraschung vor Augen, verwirkten die Süderelber in der Nachspielzeit noch "vollkommen unnötigerweise" (Klemme) einen Freistoß. Diesen zirkelte der eingewechselte Philipp Koch listig aus 20 Metern um die Süderelber Abwehrmauer herum in das kurze Eck, wo Westerholt keinen Feldspieler auf der Torlinie platziert hatte (90.+2).

Diesem Ausgleich folgte noch ein weiterer Nackenschlag für die Süderelber: Ganitis stieg mit gestrecktem Bein gegen Moritz Frahm ein, wofür Schiedsrichter Ben Henry Uhrig (SC Egenbüttel) glatt "Rot" zückte (90.+5). Damit fehlte den FCS-Kickern ein sicherer Elfmeterschütze. "Aber wir haben noch weitere Spieler, die vom Punkt treffen können - und als wir am Montagabend beim Training das Elfmeterschießen geübt haben, waren alle Bälle drin", erklärte Klemme.

Was beim Probelauf klappte, misslang beim Ernstfall: Mit Andrijanic (zu hoch), Adrian Nkansah Apau (Pfosten), Christivi-Junior Komba-Masombo (über die Latte) und Deniz Bektas, der sein Schüsschen genau auf Ceesay setzte, scheiterten alle vier Süderelber Schützen! Unglaublich, aber wahr: Wie eingangs erwähnt vergaben mit Yannik Nuxoll - Westerholt hielt - und Fabian Grau (ebenfalls Pfosten) auch die ersten beiden Norderstedter. Anschließend verwandelte nach Frahm aber auch noch Philipp Koch, was dem Favoriten zum Weiterkommen genügte.

So konnte FCS-Coach Jean-Pierre Richter an seiner früheren Wirkungsstätte jubeln. Um ein Haar wäre es im Achtelfinale für ihn zum Duell mit dem TuS Finkenwerder gekommen. Doch die Finkenwerderaner (Kreisliga 1), für deren Reserve Richter parallel zu seinem Engagement an der Ochsenzoller Straße in der A-Kreisklasse kickt, waren am 2. Oktober ihrerseits im Elfmeterschießen gescheitert am Hammonia-Landesligisten SC Nienstedten, der die Norderstedter nun Ende Oktober herausfordern darf.

Am Kiesbarg herrscht jetzt volle Konzentration auf den Kampf um den Klassenerhalt in der Oberliga: "So gerne wir im Pokal weitergekommen wären, Punkte für die Liga hätte uns das nicht gebracht", so Klemme, der klarstellte: "Wir wissen um den Ernst unserer Lage und dass wir zu viele Gegentore kassieren." Mit der Einstellung und Leistung der zweiten Halbzeit, das hatte auch Richter den Süderelbern nach dem Abpfiff gesagt, sollte es gelingen, bis zur Winterpause noch reichlich Punkte zu sammeln. Anfangen wollen die FCS-Kicker damit schon am Sonnabend, 12. Oktober, gegen den HEBC. Auch, wenn Klemmes letztes Duell mit seinem Ex-Klub schon lange zurückliegt, konnte er sich noch daran erinnern: "Das war in der Landesliga-Saison 2013/2014 mit dem VfL Pinneberg II."

(Johannes Speckner)

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