„Nicht mehr richtig wertgeschätzt“ fühlten sich die Brüder Darren (31) und Steven Reinhardt (28) beim SV Rugenbergen, wo sie eine gefühlte Ewigkeit für die zweite Mannschaft in der Bezirks- und Kreisliga aktiv waren, ehe sie ihr früherer Mitspieler Felix Semmelhack nach seiner Beförderung zum Reserve-Coach ebenso wie andere verdiente Akteure in die 4. Mannschaft (B-Kreisklasse) schickte. Deshalb entschloss sich neben Darren Reinhardt, der dem SVR 27 (!) Jahre angehörte, auch sein jüngerer Bruder Steven, der 2012 nach Stationen beim Niendorfer TSV, SC Egenbüttel, und TuS Hasloh ins Werner-Bornholdt-Sportzentrum zurückgekehrt war, den Verein zu wechseln.
Ihre Wahl fiel auf die Groß Flottbeker SV, deren Fußball-Abteilungsleiter und Manager Mustafa Arslan sich „zwei Jahre lang immer wieder sehr um sie bemüht habe“, wie Steven Reinhardt berichtete. Entsprechend glücklich war Arslan, dass die beiden Brüder ab sofort tatsächlich das GFSV-Trikot überstreifen: „Sie sind nicht nur sportlich, sondern auch menschlich riesige Verstärkungen für uns“, so Arslan, der präzisierte: „Mit ihrer jahrelangen Erfahrungen haben wir sie als Führungsspieler und Vater-Figuren eingeplant, die gerade unsere vielen jungen Akteure an die Hand nehmen.“
Dass diese Erfahrung im bisherigen Saisonverlauf fehlte, ist laut Arslan „einer der Gründe“ dafür, dass die Groß Flottbeker in der Kreisliga 5 als Tabellenletzter überwintern. Eine weitere Ursache dafür, dass nach dem am ersten Spieltag erreichten 2:2-Unentschieden beim Rissener SV, der erst in der 88. Minute zum Endstand ausglich, nur ein Sieg – 2:0 gegen Semmelhacks SV Rugenbergen II – gelang, aber gleich 14 Niederlagen bezogen wurden, sieht der GFSV-Manager „in der fehlenden Konstanz und der fehlenden Ruhe, einen Vorsprung und ein Spiel einmal ruhig über die Zeit zu bringen“.
So hätte sein Team „oft gut begonnen und viele Spiele fest in der Hand gehabt, ehe ein kleiner Fehler dazu führte, dass gerade die jungen Akteure nervös wurden und die Partien kippten.“ Wahre Worte, denn gleich dreimal führte der Tabellenletzte mit 2:0, um dann noch zu verlieren: Jeweils mit 2:3 gegen den Eimsbütteler TV IV und im Rückspiel gegen die Rissener sowie mit 5:7 gegen den FC Roland Wedel. „Wir hätten leicht fünf, sechs oder sogar neun Punkte mehr holen können“, so Arslan, der verriet, dass die junge GFSV-Mannschaft „schon von vielen gegnerischen Trainern Komplimente bekommen“ habe: „Es hieß immer wieder, dass wir keinesfalls so spielen und auftreten würden wie ein Tabellenletzter.“
Turgut Ceylan, der das Traineramt im Dezember 2021 von Andre Härtel übernommen hatte, treffe „definitiv keine Schuld“ an der tabellarischen Situation, betonte Arslan: „Er analysiert jeden Gegner und gibt den Spielern alles Notwendige mit auf den Weg.“ Dies würden auch die GFSV-Kicker so sehen: „Wir haben mehrmals das Gespräch gesucht – und es ist ja nun einmal so, dass der Trainer nichts für die individuellen Fehler der Spieler kann“, führte Arslan aus. Für diese Fehler wiederum nahm Ceylan seine Kicker ausdrücklich in Schutz: „Einige Akteure brauchen einfach Zeit, um im Herren-Bereich anzukommen, weil das Spiel dort viel körperlicher ist als im Jugend-Fußball..“ Einige Groß Flottbeker könnten vom Alter her noch bei den A-Junioren spielen. „Unser Team ist vielversprechend und hat Potenzial“, versicherte Ceylan.
Unstritti ist, dass die jetzige Mannschaft personell nicht mehr mit der, die Härtel als Tabellen-Vierter mit einem Punkt Rückstand auf den ersten Platz und Blickrichtung gen Bezirksliga übergeben hatte, zu vergleichen ist. „Leider haben kurz nach meinem Amtsantritt mehrere Spieler den Verein verlassen“, erinnerte sich Ceylan, der unter anderem nicht mehr auf die Dienste von Felix Schubert – unter Härtel noch Kapitän – bauen konnte. Im Sommer 2022 und im Sommer 2023 folgten weitere Abgänge. „Dabei sind wir in gewisser Weise auch ein Opfer unserer erfolgreichen Arbeit geworden“, sagte Arslan mit Blick darauf, dass Ceylan „viele Spieler individuell weitergebracht und sie auch ehrlich auf ihr Potenzial für eine höhere Liga hingewiesen“ habe.
Unter anderem verließ deshalb vor der aktuellen Saison Nils Schwarz und Kapitän Marc-Micha Oehlers die Notkestraße gen Bezirksligist TuS Osdorf, wo schon Anfragen aus der Oberliga für ihn eingetrudelt sein sollen, ehe er sich das Kreuzband riss. „Schwarz hat gesagt, dass Ceylan in ihm einen neuen Ehrgeiz geweckt hat“, sagte Arslan über den jetzigen Osdorfer, den Ceylan vom Mittelfeldmann zum Stürmer umfunktioniert hatte. Auch Malte Krause und Lukas Wilcken zog es gen Osdorfer Blomkamp, während Kevin Baumert sich dem Tangstedter SV (Kreisliga 1) nschloss. Bereits zuvor waren gleich vier Akteure zur SV Blankenese gegangen, die aktuell in der Kreisliga 5 Spitzenreiter ist.
„Insgesamt hatten wir neun Abgänge im Sommer 2023 – fünf dieser Spieler haben uns erst eine Woche vor dem Saisonstart mitgeteilt, dass sie gehen, was unsere Planungen natürlich über den Haufen geworfen hat“, klagte Arslan. „Sehr bedauerlich“ nannte es der Manager, dass aus der letztjährigen A-Jugend-Oberliga-Mannschaft, die von Robin Graupner trainiert wurde, kein einziger Akteur in Groß Flottbek gehalten werden konnte. „Sie fühlten sich zu Höherem berufen, spielen jetzt aber größtenteils bei anderen Kreisligisten oder sitzen in der Bezirksliga auf der Bank“, so Arslan.
Als „Glücksfall“ für die Groß Flottbeker bezeichnete der Manager seinen „guten Draht“ zu Daniel Witt, dem Sportlichen Leiter des FK Nikola Tesla. Denn fünf Akteure, die noch nicht reif für die Landesliga-Mannschaft der „Teslaner“ waren, wurden an der Notkestraße „geparkt“, was Arslan wie folgt begründete: „Auch Witt weiß die gute Arbeit von Ceylan zu schätzen.“ Der Trainer selbst, der in Winterhude lebend einen hohen Aufwand betreibt, um die Groß Flottbeker betreuen zu können, stellte gequält lächelnd fest: „Aktuell sind wir wohl ein Ausbildungsverein – wir wollen aber natürlich auch selbst wieder erfolgreich spielen.“
Die Voraussetzungen dafür stimmen: An der Notkestraße gibt es einen modernen Kunstrasenplatz, dessen zentrale und verkehrstechnisch gute Lage in den vergangenen Monaten schon die Offiziellen des Landesliga-Neulings TBS Pinneberg und die des Hetlinger MTV (Bezirksliga West) dazu veranlasste, dort ihre Übungseinheiten zu absolvieren. Gleiches gilt für Altona 93: „Andreas Bergmann (Anmerkung der Redaktion: Trainer des Altonaer Oberliga-Teams), der einst im Nachwuchsleistungszentrum des FC St. Pauli mein Chef war, hat mit seinen Jungs schon oft bei uns trainiert“, berichtete Arslan, der mit Dominic Goos sowie Leonard Augusto Tara zwei weitere fixe Neuzugänge präsentieren konnte und „hofft, dass wir vielleicht noch ein paar neue Spieler für uns gewinnen können“.,
Mut, dass der Kampf um den Klassenerhalt noch gewonnen werden kann, macht den GFSV-Verantwortlichen auch die Erinnerung an die vergangene Serie, als sie 13 Hinrunden-Punkten in der zweiten Halbserie 25 Zähler – der fünftbeste Wert in diesem Zeitraum – folgen ließen. „Ja, wir glauben noch an den Klassenerhalt“, versicherte Arslan. Von „größter Wichtigkeit“ sei dabei, wie die ersten Partien nach der Winterpause laufen: „Nachdem Eis und Schnee mehrere Wochen lang kein normales Training zuließen, müssen wir jetzt schnell in Form kommen und aus den ersten drei, vier Spielen möglichst sieben bis zehn Punkte holen“, forderte Arslan. Sollte dies gelingen, wäre übrigens auch Rugenbergen II wieder in Schlagdistanz für die Groß Flottbeker und die Reinhardt-Brüder ...
(Johannes Speckner)