Oberliga: Der ETV zerrupft Rugenbergen

Nicht nur in dieser Szene ist ETV-Kapitän Finn Xavier Schütt (links), der früh das 1:0 schoss, vor SVR-Akteur Marlon Stannis am Ball.
(Foto-Credit: Johannes Speckner)

„Gebt weiter Vollgas“, gab Trainer Khalid Atamimi seinen Spielern Diego Larralde Berendsohn, Noel Denis und Tyrese Boakye mit auf den Weg, als er sie in der 65. Minute einwechselte. Die drei „Joker“ taten, wie ihnen befohlen, und trugen dazu bei, dass der Eimsbütteler TV am Freitagabend mit einem 5:0 gegen den SV Rugenbergen seinen bisher höchsten Saisonsieg feierte und die Tabellenführung in der Oberliga Hamburg übernahm.

Auch SVR-Coach Michael Fischer zeigte sich angetan von den Eimsbüttelern, die er für „einen beeindruckenden Tempo-Fußball bis zur letzten Minute“ lobte und feststellte: „Wenn ein Gegner hofft, dass die ETV-Spieler beim Stand von 3:0 in der Schlussphase Gnade walten und es ruhiger angehen lassen, dann hofft er vergeblich.“ Aber auch für den Auftritt seiner Schützlinge fand Fischer positive Worte – allerdings nur auf die erste Halbzeit bezogen: „Da haben wir wirklich die beste Leistung in dieser Saison gezeigt und den ETV auch hinten beschäftigt.“

An der mutigen, von Fischer vorgegebenen Marschroute, im ETV-Sportzentrum Hoheluft „keinen Bus vor dem eigenen Tor parken, sondern offensiv mitspielen zu wollen“, hielten die Bönningstedter auch nach der Blitz-Führung der Heim-Elf fest. Patrick Hoppe unterlief ein Fehlpass, den Finn Xaver Schütt zur frühen ETV-Führung nutzte (2. Minute). In der Folge erspielten sich die SVR-Kicker bis zur Pause mehr Torchancen, als die vorherigen beiden Gast-Teams des ETV, der Hamburger Meister TuS Dassendorf (0:3-Verlierer) und der FC Union Tornesch (1:1-Unentschieden), zusammen. Das Problem aus ihrer Sicht war, dass sei keine davon nutzten.

Dabei gesellte sich Pech zu Unvermögen. Dass Hoppe einen Kopfball nach einer Rechtsflanke von Leon Neumann knapp am langen Eck vorbeinickte, fällt in die erstgenannte Kategorie. Dass sich Lenny Glissmann, obwohl er laut Fischer „im Training regelmäßig die Tornetze kaputtschießt“, in guter Position keinen Torschuss zutraute, sondern stattdessen querspielte zu Hoppe, der im Duell mit einem ETV-Verteidiger Zentimeter am Ball vorbeirutschte, war eine Mischung aus Beidem. Pures Unvermögen war es dann, dass Hoppe einen Elfmeter – Marlon Stannis war nach einem von Jannick Wilckens schnell ausgeführten Freistoß im ETV-Strafraum umgerissen worden – mit einem kläglichen Linksschuss rechts am Tor vorbeibeförderte (37.).

Weil Hoppe damit zum dritten Mal in Folge vom ominösen Punkt aus scheiterte und insgesamt vier seiner letzten fünf Strafstöße vergab, kündigte Fischer eine Änderung beim Elfmeter-Prozedere an: „Bisher hat bei uns der Spieler geschossen, der sich gut gefühlt hat – zukünftig werde wir als Verantwortliche den Schützen benennen.“ Es ist davon auszugehen, dass die Wahl von Fischer und seinem Assistenten Heiko Klemme nicht auf Hoppe fallen wird ...

Nach der Pause nahm der Kantersieg des ETV dann schnell Form an. Zunächst konnte Neumann noch knapp vor der eigenen Torlinie retten, als SVR-Keeper Patrick Hartmann von halbrechts aus überlupft worden war (48.). Aber nur zwei Zeigerumdrehungen später erhöhte Michael Igwe, den Namensvetter Fischer als „sehr starken Stürmer“ adelte, nach einer Rechtsflanke auf 2:0. Die Gäste versuchten, auch diesen Rückschlag schnell wegzustecken, was aber nur bedingt gelang: Glissmanns Eckstoß geriet zu lang, weshalb ihn Sven Worthmann nur noch in das Tor-Aus grätschen konnte. Auf der Gegenseite zielte Leon Bolz von halbrechts aus knapp am langen Eck vorbei (55.), ehe es ihm Igwe aus einer nahezu identischen Position gleichtat (58.).

Zum dritten Mal jubeln konnten die ETV-Sympathisanten unter den zahlreichen Zuschauern, als Hartmann einen Freistoß noch zur Seite abwehren konnte, Bolz den Abpraller aber zum 3:0 versenkte (62.). „Vielleicht hätten wir danach hinten Beton anrühren und nicht noch weiter ins Verderben rennen sollen“, überlegte Fischer, um sogleich hinterherzuschieben: „Am Ende hatten die Eimsbütteler so viele Torchancen, dass wir uns auch nicht hätten beschweren können, wenn wir sieben oder acht Stück kassiert hätten.“ Immerhin 4:0 stand es, als Dominik Akyol von halbrechts aus im hohen Bogen über Hartmann hinweg traf (64.).

Die in Rot gewandeten Eimsbütteler stürmten weiter, als würde es kein Morgen geben. Akyols nächsten Schuss fälschte Glissmann noch ab, so dass er nicht im Netz zappelte (69.). Dann verpassten nach einem schönen Spielzug der Heim-Elf über die linke Seite mehrere Akteure den Ball, ehe ihn Denis an den linken Außenpfosten schoss. Eine unschöne Szene gab es, als Hartmann einen Ball bereits geklärt hatte, Denis aber trotzdem auf den Keeper ging und ihn mit seinem Knie so im Gesicht traf, dass er sich selbst auf die Zunge biss und eine blutende Wunde an der Lippe erlitt. Auch, wenn Hartmann nach kurzer Behandlung von SVR-Physiotherapeutin Annika Kröger weiterspielen konnte, hätte Schiedsrichter Marvin Vogt (vom SV Börnsen) hier eigentlich „Gelb“ zücken müssen.

Besser machte es Denis kurz vor Ultimo, als er einen Steilpass von links aus spitzestem Winkel am herausstürzenden Hartmann vorbei zum 5:0-Endstand versenkte (85.). Damit befolgte Denis die zu seiner Einwechslung bekommene Anweisung. Dagegen konnten die vier SVR-„Joker“ Jan Düllberg, Yannik Kurowski, Jan Schrage und Denis Urdis, die nach 68 Minuten beim Stand von 0:4 gekommen und einem Zuschauer-Spruch („Ihr müsst nur noch vier Tore schießen“) entgegnet hatten, „noch fünf Treffer erzielen zu wollen“, nicht die entsprechenden Taten folgen lassen.

(Johannes Speckner)

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