Regionalliga: Gedanken zum Urteil des Nord-FV pro Bremer SV

Es sollte klar sein, dass alle Menschen gleich sind und dieselben Rechte genießen – unabhängig von ihrem Geschlecht, ihrer Hautfarbe, ihrer Herkunft oder sexuellen Orientierung. Das sind die Werte, die diese Reaktion vertritt und die jeder Mensch nicht nur im Fußball, sondern in allen anderen Bereichen des Lebens leben sollte. Politische Extreme in die rechte, aber auch in die linke Richtung sind nicht zu tolerieren und rassistische Beleidigungen nicht nur widerwärtig, sondern sie gehören auch auf das Schärfste bestraft.

Kommen wir zum aktuellen Fall: Ein Spieler des FC Teutonia 05 erklärte, am Pfingstsonnabend im Regionalliga-Spiel beim Bremer SV rassistisch beleidigt geworden zu sein. BSV-Akteur Nikky G. bestritt dies. Wir als Redaktion sind weit davon entfernt, dem Teutonia-Akteur zu unterstellen, er habe sich die rassistische Beleidigung ausgedacht – zumal sein Team zu diesem Zeitpunkt in Führung lag und es tabellarisch um nichts mehr ging. Aber könnte es sein, dass der Teutone sich verhört hat? Im Internet gab es jedenfalls Spekulationen, dass der Bremer „Digga“ gesagt, der Teutone aber das scheußliche, ähnlich klingende N-Wort verstanden haben könnte – so, wie es in der Vergangenheit auch im Hamburger Amateurbereich schon einmal geschehen war. Fakt ist: Die Teutonia-Mannschaft ging vom Platz und weigerte sich, ihn wieder zu betreten, weshalb das Spiel beim Stand von 2:1 für die Hamburger kurz vor der Pause abgebrochen werden musste.

Der Norddeutsche Fußball-Verband wertete die Begegnung des 38. und letzten Spieltages daraufhin wegen schuldhaft verursachten Spielabbruchs der Teutonen mit einem kampflosen 5:0-Sieg für den Bremer SV, der deshalb auf den Relegationsrang 14 kletterte und in zwei Spielen gegen Niedersachsens Vizemeister U. S. I. Lupo Martini Wolfsburg um einen Viertliga-Platz kämpft. Leidtragender ist der Stadt-Rivale SV Werder Bremen II, der auf den direkten Abstiegsplatz 15 abrutschte. Natürlich hat die Werder-Reserve sich dies in aller erster Linie selbst zuzuschreiben, da sie nicht nur am Sonnabend das „Endspiel“ beim direkten Rivalen 1. FC Phönix Lübeck mit 2:3 verlor, sondern insgesamt nur magere 19 Punkte in der Rückrunde holte – doch es bleibt ein fader Beigeschmack, dass der Abstiegskampf manipuliert wurde. Denn hätte der Bremer SV gegen die Teutonen nicht gewonnen, wäre sein Direktabstieg besiegelt gewesen und der Werder-Reserve zumindest die Relegation geblieben.

Der springende Punkt ist, dass Schiedsrichter Jannik Weinkauf (28, vom VfL Oldenburg) sowie seine Assistenten Daniel Piotrowski (25, Buchholzer FC) und André Eikens (26, SV Meppen) nichts von der rassistischen Beleidigung mitbekamen. Und genau diese Wahrnehmung der Unparteiischen muss in der Bewertung eines solchen Vorfalls das entscheidende Kriterium sein – andernfalls steht die Aussage des einen Spielers gegen die des anderen Kickers. Deshalb blieb den Nord-FV-Verantwortlichen keine andere Möglichkeit, als die Partie zugunsten des Bremer SV zu werten, auch wenn die Teutonia-Verantwortlichen ihrer eigenen Aussage nach „mehrere Zeugen benannten“. Denn mit jedem anderen Urteil hätte der Verband einen Präzedenzfall geschaffen, der andere Mannschaften dazu einladen könnte, mit ausgedachten Rassismus-Vorwürfen – noch einmal: Wir denken nicht, dass der Teutone sich die rassistische Beleidigung ausgedacht hat, sondern wir glauben, dass er es so wahrgenommen hat! – entweder eine Spielwertung zu ihren Gunsten zu erreichen oder aber bei einem ungünstigen Spielstand eine Neuansetzung.

Denn die Wiederholung der Partie wäre ja die vierte Möglichkeit gewesen, für die der Verband neben einer Wertung für den Bremer SV, einer Wertung für die Teutonen und einer Wertung gegen beide Mannschaften hätte votieren können. Hier wäre es dann aber in diesem speziellen Fall auch zeitlich eng geworden, denn der Bremer SV soll schon am Mittwoch, 31. Mai, in Wolfsburg sowie am Sonntag, 4. Juni am heimischen Panzenberg gegen Lupo Martini Wolfsburg die besagten Relegationsspiele bestreiten. Und die Teutonen sind bekanntlich am Sonnabend, 3. Juni, im Hamburger Lotto-Pokal-Finale gegen den Hamburger Meister TSV Sasel gefordert (Anpfiff: 12.15 Uhr/Stadion Hoheluft).

Das Argument, dass eine Mannschaft, deren Spieler rassistisch beleidigt wurde (in diesem Falle also die Teutonen), die Partie nicht fortsetzen möchte, weil sie andernfalls den besagten Akteur auswechseln müsste, weil er sich nach der Diffamierung nicht mehr dazu in der Lage sieht, weiter zu spielen – was auch für einen Menschen, der selbst noch nie rassistisch beleidigt wurde, gut vorstellbar ist –, kann mit einem Vergleich auf körperliche Verletzungen entkräftet werden. Denn wenn ein Akteur etwa bei einem Ellenbogencheck seines Gegenspielers einen Nasenbeinbruch oder eine andere Fraktur erleidet, muss er ebenfalls ausgewechselt werden. Sollten der Schiedsrichter und seine Assistenten die Tätlichkeit nicht gesehen haben, bleibt sie aber bedauerlicherweise ebenso ungeahndet wie eine rassistische Beleidigung, die niemand gehört hat.

Trotz alledem hat auch die SportNord-Redaktion mit dem nun zugunsten des Bremer SV gesprochenen Urteil große Bauchschmerzen. Sollte der Bremer SV sich gegen Lupo Martini Wolfsburg behaupten und in der Regionalliga bleiben, würde über seinem Klassenerhalt ein Schatten liegen. Die Werder-Reserve – auch, wenn sie als Zweitvertretung wohl kaum ein Gegner vermissen wird – ist der große Leidtragende, da sie in der kommenden Serie als Bundesliga-Unterbau nur noch in der fünftklassigen Bremen-Liga antreten wird. Und die Frage, welche Worte wirklich auf dem Platz gefallen sind, wird sich wohl leider nie klären lassen.

(Johannes Speckner)

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