Kreisklasse 2: Spielabbruch, Jagdszenen und Schlägerei


Ein Sieg, ein Unentschieden und zwei Niederlagen – so lautete die Saison-Bilanz der FSV Harburg-Rönneburg II, ehe sie am Sonntagmittag Rot-Weiss Wilhelmsburg II empfing. Diese Partie des sechsten Spieltages der Kreisklasse 1 wurde von Schiedsrichter Raul Ramazanov in der Schlussphase beim Stand von 2:2 abgebrochen, nachdem es auf dem Sportplatz Wilstorfer Höh sehr unschöne Szenen gegeben hatte.

 

Hakan Kanbay, der in diesem Sommer bei der FSV-Reserve das Traineramt von Sven Schlünß übernahm, berichtete am Montag auf Nachfrage von SportNord:

„Zunächst haben wir in der 50. Minute eine Rote Karte wegen eines Foulspiels und kurz danach einen Gegentreffer zum 0:2 kassiert. Aber meine Spieler haben sich in der Folge den Hintern aufgerissen, zum 2:2 ausgeglichen und danach auf das dritte Tor gedrängt. Das war sicher ein Punkt, der einigen Wilhelmsburgern nicht gefallen hat. Ein zweiter war, dass die Partie von Anfang an sehr körperbetont war. Und schließlich ist es dann zur Eskalation gekommen.

Dabei gab es zunächst in der 87. Minute eine Gelb-Rote Karte gegen einen Gäste-Spieler, der sich darüber lautstark beschwert hat. Kurz darauf kam es vor unserer Trainerbank zu einer kleinen Rangelei, allerdings nur mit leichtem Herumschubsen. Weil der gegnerische Trainer auch alles in seiner Macht stehende getan hat, um die Situation zu deeskalieren, bin ich fest davon überzeugt, dass wir es hinbekommen hätten, dass die Situation sich wieder beruhigt.

Aber leider sind in dieser Situation ungefähr 15 Gäste-Fans auf das Spielfeld gelaufen. Wie mir später gesagt wurde, soll es schon zu Beginn der zweiten Halbzeit im Gäste-Block zu einigen Beleidigungen und Tumulten gekommen sein – das haben wir auf der Trainerbank aber nicht mitbekommen. Wir hatten zwar Ordner, aber sie hatten keine Chance, die Fans des Gegners davon abzuhalten, dass sie vom Zuschauer-Bereich auf das Spielfeld stürmen.

Auf dem Platz kam es dann zu Jagdszenen: Fünf Wilhelmsburger Spieler haben einen Spieler von uns, der wohlgemerkt erst 18 Jahre alt ist, über das gesamte Feld gejagt, weil sie ihn schlagen wollten. Und eine zu Rot-Weiss gehörende Person – wie ich inzwischen hörte, soll es sich dabei um einen Spieler handeln, der zuvor ausgewechselt worden war – ist wie wild über den Platz gelaufen und hat Faustschläge verteilt. All diese Szenen haben wir auf Video aufgenommen.

Nachdem wir die Polizei gerufen haben, hat sich die Situation schon beruhigt, bevor die rund 20 Polizisten auf dem Sportplatz eingetroffen sind. Die Polizisten haben die Mannschaften dann komplett voneinander getrennt und mit ihrer Präsenz dafür gesorgt, dass kein neuer Konflikt aufkommen konnte. Das, was da am Sonntag passiert ist, gehört nicht auf den Fußballplatz. Zumal unter den Fans auch viele kleine Kinder waren – auch aus Wilhelmsburg –, die das mit anschauen mussten.

Auch aus sportlicher Sicht war der Abbruch für uns ärgerlich: Wir haben ein 0:2 aufgeholt, in Unterzahl auf den Siegtreffer gedrängt und das Momentum klar auf unserer Seite gehabt. Insofern bin ich gespannt, was das Sportgericht des Hamburger Fußball-Verbandes nun in Bezug auf die Spielwertung entscheiden wird. Mit den gestellten Strafanzeigen wird sich zudem ein Zivilgericht befassen. Leid getan hat mir der junge Schiedsrichter, der meiner Meinung nach eine gute Leistung gezeigt hat.

Glücklicherweise gab es niemanden, der schwere Verletzungen erlitten hat. Die Sanitäter haben sich einen unserer Spieler genauer angeschaut, der eine riesige Beule am Kopf hat, aber gesagt, dass es ausreicht, die Beule zu kühlen. Ein anderer Spieler hat Schmerzen an einem oberen Zahn, ein anderer an einem unteren Zahn – aber das ist Gott sei Dank alles nichts Lebensbedrohliches. Schon mehr Sorgen mache ich mir darum, wie unser besagter 18-jähriger Spieler es psychisch verarbeiten wird, dass er von fünf Männern gejagt worden ist.

Ich habe lange Jahre selbst aktiv Fußball gespielt und schon viele Dinge erlebt, aber noch nie einen solchen Platzsturm, noch nie Gewalt in einer solchen Dimension. Ich erwarte von den Verantwortlichen von Rot-Weiss Wilhelmsburg, dass sie die Geschehnisse aufarbeiten und mit den Spielern, die sich daneben benommen haben, unterhalten. Das Rückspiel ist noch lange hin (am Sonntag, 8. März 2026, soll ab 11 Uhr am Rotenhäuser Damm der Ball rollen; Anmerkung der Redaktion), aber natürlich mache ich mir als verantwortungsbewusster Trainer schon jetzt Gedanken darüber.

Wir wollen die Geschehnisse noch etwas sacken lassen. Am Donnerstag im Rahmen unseres Trainings werde ich das Thema dann noch einmal mit der Mannschaft zusammen aufgreifen. Ich werde unsere Spieler auch offen fragen, ob wir etwas falsch gemacht haben, ob wir in Zukunft etwas anders machen sollten. Momentan bin ich einfach nur schockiert aufgrund der Vorfälle und traurig, dass unsere großartige Leistung, zu zehnt ein 0:2 aufzuholen, jetzt durch diese Geschichte überschattet wird.“

 

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(Johannes Speckner)

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