Bezirksliga West: TBS-Triumph nach späten Toren

Zweikampf zwischen den Flügelspielern Jason Urban (Heidgraben, links) und Joel Weiß von TBS Pinneberg.
(Foto-Credit: Johannes Speckner)

Wo ist die Grenze des Erträglichen, was verbale Attacken angeht? Wo hört Meckern auf und wo fängt das Beleidigen an? Haben Zuschauer „Narrenfreiheit“ und erwerben sie – sofern sie beim Amateurfußball überhaupt Eintritt zahlen – damit auch das Recht, den Schiedsrichter zu diskreditieren? Fragen über Fragen, die sich nach dem Topspiel der Bezirksliga West zwischen dem Heidgrabener SV und TBS Pinneberg mehr denn je stellen.

Laut HSV-Coach Ove Hinrichsen wurde „der Schiedsrichter-Assistent, der auf der den Trainerbänken gegenüberliegenden Seite vor den Zuschauern lief, nicht nur wiederholt verbal, sondern in einer Situation auch tätlich attackiert“. Gegen diesen Vorwurf setzte sich TBS-Liga-Manager Erturul Kayali entschieden zur Wehr: „Das stimmt nicht.“ Es seien, dies räumte auch Kayali ein, „von Seiten einiger Anhänger unseres Teams mehrere unschöne Worte gefallen“ gegen den Assistenten, und zwar nachdem dieser bei einem Tor von Adrian Sousa auf Abseits entschieden hatte. „Beim Querpass von Ilyas Afsin war Sousa niemals im Abseits“, echauffierte sich auch Kayali, um dann noch einmal klarzustellen: „Niemand ist den Assistenten körperlich angegangen.“

Auf dem Platz verlief die Partie ohne negative Geschehnisse. Die Heidgrabener erwischten den besseren Beginn, aber Jon Schwertfeger und Tobias Brandt hatten bei den ersten Torabschlüssen kein Glück. „Leider haben wir es verpasst, in der ersten Viertelstunde in Führung zu gehen“, haderte Hinrichsen. Nach einer halben Stunde jubelten dann stattdessen die Gäste: Einen Eckstoß klärte die Heim-Elf zunächst, führte dann aber einen Einwurf „total unkonzentriert aus“ (Hinrichsen), so dass die Gäste wieder in Ballbesitz kamen und Joel Weiß auf den zweiten Pfosten flankte, wo Ersen Asani gegen die in dieser Situation unsortierte HSV-Deckung einköpfte.

Die Heidgrabener schüttelten sich kurz und kamen zügig zum Ausgleich: Sebastian Stapel, der schon in der Anfangsphase zahlreiche gefährliche Eckbälle in den TBS-Strafraum geschlagen hatte, verwandelte eine Ecke direkt: Das Spielgerät setzte im Fünfmeterraum noch einmal auf und sprang dann ins lange Eck (40.). In der zweiten Halbzeit sah Kayali „ein klares Übergewicht“ für sein Team, während die Heidgrabener „gut in der Abwehr standen“, wie der TBS-Manager es ausdrückte. HSV-Verteidiger Cass Marcks klärte einmal in höchster Not auf der eigenen Torlinie (54.). „Ich hätte mir gewünscht, dass wir früher wieder in Führung gehen“, erklärte Kayali.

Erst mit dem Ablauf der regulären Spielzeit war es soweit: Nach einem zunächst kurz ausgeführten Eckstoß jagte Mark Hinze den Ball von rechts mit viel Effet in den linken, oberen Winkel (91.). Weil er nach Ansicht von Schiedsrichter Bakari Turay „zu provokant vor der Heidgrabener Bank jubelte“, sah der bereits mit „Gelb“ vorbelastete Hinze die Gelb-Rote Karte. Kayali klagte: „Wir haben die Heidgrabener gefragt, sie haben den Jubel nicht als provokant wahrgenommen.“ Zuvor hatte bereits TBS-Akteur Berke-Ali Kilinc „Gelb-Rot“ bekommen, da er nach seiner Auswechslung von der Bank aufgesprungen und aufs Spielfeld gelaufen war, um die vermeintliche 2:1-Führung durch Sousa zu bejubeln – und dann, nach der besagten Abseits-Entscheidung, zu reklamieren (86.).

Die Heidgrabener warfen in Überzahl in der Nachspielzeit alles nach vorne, was die Pinneberger noch zu einem Konter nutzten, den Sousa mit dem 1:3 abschloss (96.). „Absolut verdient“ nannte Kayali den Sieg seines Teams. Dagegen haderte Hinrichsen: „Für mich war es ein Unentschieden-Spiel, in dem es Torchancen auf beiden Seiten gab.“ Tatsächlich hätten in der zweiten Halbzeit auch die Hausherren in Front gehen können, doch Schwertfeger traf den Ball nicht richtig (67.) und scheiterte auch bei einem Konter und einem Querpass des eingewechselten Tim-Lukas Fischbein (87.). Wie die Zuschauer wohl reagiert hätten, wenn der „kleine HSV“ kurz vor Ultimo und direkt nach dem besagten Abseitstor in Führung gegangen wäre?

(Johannes Speckner)

 Redaktion
Redaktion Artikel