
Hilfsmittel für Schiedsrichter zur Vermeidung von Fehlern sind eigentlich „in“: In der Ersten Bundesliga gibt es den Video-Assistenten, im Europapokal die Torrichter und in mehreren Wettbewerben die Torlinientechnologie. Dagegen scheute sich Referee Arvid Maiwald (vom Moorreger SV) am Donnerstagabend, im Bezirksliga-West-Spiel zwischen dem Heidgrabener SV und dem SC Pinneberg seinen Assistenten nach dessen Sichtweise einer Szene zu fragen. Was war geschehen?
Der nach einem Foul bereits mit „Gelb“ verwarnte SCP-Akteur Jannes Stöber hatte in der 65. Minute nach einem Pass des Heidgrabeners Timo Badermann tief in der eigenen Spielfeldhälfte mit einem klaren Handspiel verhindert, dass Philippe Schümann von links zum Flanken kam. Maiwald entschied auf Freistoß, verzichtete aber auf eine persönliche Strafe für Stöber, die das Regelwerk zwingend vorsieht (siehe unten stehende Erklärung) und die „Gelb-Rot“ bedeutet hätte. Nach dem Abpfiff erfuhr HSV-Kapitän Fabian Doell auf Nachfrage bei Maiwald, dass er das Handspiel „nur gehört, aber nicht gesehen“ habe. Abenteuerlich war Maiwalds Antwort auf Doells Frage, weshalb er nicht seinen Assistenten, der beste Sicht auf die Szene hatte, befragt habe: „Wenn ich in der Situation an die Seitenlinie gegangen wäre, hätte ich an Autorität verloren“, sagte Maiwald ‒ Doell traute seinen Ohren kaum.
Zum Spielverlauf: Zunächst kamen die Hausherren gut in die Partie hinein, ehe sie sich immer mehr Fehlpässe leisteten. In der 17. Minute gingen die Gäste in Front: Eine Linksflanke von Stöber, den die Heidgrabener nicht eng genug gedeckt hatten, legte Jonathan Razaq Grubb an der Strafraumgrenze ab für Sebastian Fröhlich, der mit einem Spannschuss das 0:1 erzielte. Fünf Zeigerumdrehungen später wollte HSV-Verteidiger Tobias Burk eine Linksflanke von Sönke Wucherpfennig per Grätsche klären, schoss sich den Ball dabei allerdings an die eigene Hand. Maiwald entschied auf Handelfmeter, wozu HSV-Trainer Ove Hinrichsen sagte: „Man kann diesen Strafstoß geben, aber man muss ihn nicht geben.“ Fakt ist: Fröhlich verwandelte zum 0:2.
„Von diesem Tiefschlag mussten wir uns erst einmal erholen“, gestand Hinrichsen, der mit Manuel Maresch nach nicht einmal einer halben Stunde eine weitere Offensivkraft einwechselte und von einem 3-4-3 auf ein 4-2-1-3-System umstellte. In der letzten Viertelstunde vor der Pause steigerte sich die Heim-Elf und im zweiten Durchgang war das Geschehen fest in ihrer Hand. Philippe Schümann hätte mit einem Freistoß, den er gegen Stöber selbst herausgeholt und der Stöber die besagte Gelbe Karte eingebracht hatte, zeitig verkürzen können − doch aus 17 Metern von halblinks traf er nur den linken Außenpfosten (55.). Zwölf Zeigerumdrehungen später setzte sich Philippe Schümann links gut durchgesetzt und spielte scharf in die Mitte, wo Tjorben Fülscher verpasste, ehe Marvin Kirch am langen Pfosten zum 1:2 einschoss (67.).
Bei einem der wenigen Konter der Pinneberger hätte Wucherpfenning das 1:3 nachlegen können, doch er zielte von links knapp am langen Eck vorbei (78.). Im direkten Gegenzug fand der laut Hinrichsen „überragende“ Kirch dann per Schnittstellenpass Philippe Schümann, der flach links zum 2:2 einschoss. Dies war der Endstand, da Philippe Schümann in der Schlussminute eine Rechtsflanke von Christoph Ketelhohn per Direktabnahme knapp über die Latte jagte − und Maiwald zehn Sekunden nach dem Ablauf der regulären Spielzeit abpfiff. „Ich weiß nicht, warum es keine Nachspielzeit gab“, haderte Hinrichsen mit Verweis darauf, dass seine Akteure „am Drücker und die Pinneberger stehend K. o. gewesen“ seien. Für SCP-Coach Dirk Kahl war das Unentschieden „ein gerechtes Ergebnis“ und der Pinneberger Manager Arno Braeger stellte fest, das 2:2 sei „nach zuvor drei Niederlagen in Folge und angesichts der Personalprobleme ein Schritt in die richtige Richtung“ gewesen.
Artikel von der Internet-Seite des Deutschen Fußball-Bundes (www.dfb.de) über die Ahndung von Handspielen:
„Das Handspiel in all seinen Facetten
Wann es einen Einwurf oder eine Ecke gibt, ist wohl jedem Fußballer bekannt. Doch was passiert, wenn ein Auswechselspieler einfach während der Partie auf das Spielfeld läuft und ein Tor verhindert? Warum gibt es nicht für jedes Handspiel eine gelbe Karte? Wie viele Spieler muss eine Mannschaft eigentlich mindestens haben? In der Regelecke werden verschiedene Regeln und deren aktuelle Auslegung anschaulich erklärt. Heute: Das viel diskutierte Handspiel.
Zunächst bietet sich ein Blick in das aktuelle Regelheft des DFB an. Dort ist eine klare Aussage zum Handspiel zu finden.
Dem gegnerischen Team wird ein direkter Freistoß zugesprochen, wenn ein Spieler den Ball absichtlich mit der Hand spielt (gilt nicht für den Torwart im eigenen Strafraum).
Die Voraussetzung für die Beurteilung eines Handspiels ist natürlich die Wahrnehmung durch den Schiedsrichter. Immer wieder kommt es zu Handspielen, die der Schiedsrichter nicht bemerkt und somit auch nicht beurteilen kann. Im Folgenden wird daher davon ausgegangen, dass der Unparteiische die Berührung des Balles mit der Hand erkannt hat. Doch Moment mal: Was ist denn überhaupt die Hand? Wer dies für eine einfache Fragestellung hält, wird bei einem Blick in die Regeln feststellen, dass die Schulmedizin und das Regelwerk hier unterschiedliche Ansichten haben. Ein Handspiel liegt demnach vor, wenn der Spieler den Ball mit der Hand oder dem Arm absichtlich berührt. Es spielt dabei übrigens keine Rolle, ob der Ball womöglich die vorgesehene Flugbahn verändert und ein gegnerischer Spieler dadurch nicht in Ballbesitz gelangt. Einzig und allein die Absicht ist entscheidend.
Absicht oder nicht?
Dieser Bestimmung ist bereits zu entnehmen, was der Schiedsrichter als erstes zu tun hat, wenn er einen Kontakt zwischen Ball und Hand wahrnimmt. Er muss beurteilen, ob diese Berührung absichtlich erfolgt ist oder nicht. Wenn er sie als unabsichtlich einstuft, kann er sie dem Regeltext entsprechend auch nicht bestrafen. Eine Hilfestellung findet der Referee in den Anweisungen der FIFA, die ihm einige Hinweise darauf geben, wann ein Handspiel als absichtlich einzustufen ist. Hier heißt es, dass der Unparteiische auf eine Bewegung der Hand zum Ball achten soll und nicht umgekehrt. Auch die Entfernung zwischen Spieler und Ball ist zu beachten. Im Klartext heißt dies, dass der Schiedsrichter beurteilen muss, ob der Spieler überhaupt eine Chance hatte, dem sich nähernden Ball auszuweichen. Auch die Position der Hand kann eine entscheidende Rolle spielen. Befindet sie sich nämlich in einer unnatürlichen Haltung, muss auch von Absicht ausgegangen werden. Das typische Beispiel hierfür sind Spieler in einer Mauer, die zum Schutz des Gesichtes einen Arm hoch halten. Springt der Ball nun gegen diesen Arm, so liegt zwar sicherlich keine aktive Bewegung zum Ball vor – der Arm hat jedoch dort oben nichts verloren, und deswegen handelt es sich um ein absichtliches Handspiel. Die Regel geht sogar soweit, dass ein Handspiel auch dann absichtlich erfolgt, wenn der Spieler den Kontakt zwischen Ball und Hand zwar vorhersehen kann, ihn aber nicht verhindert.
Gelbe Karte nur bei Unsportlichkeit
Nachdem nun geklärt ist, was als Absicht anzusehen ist und was nicht, stellt sich natürlich noch die Frage nach der persönlichen Bestrafung des Spielers. Im Fernsehen fordern Kommentatoren von Fußballspielen hin und wieder vehement eine Verwarnung für ein Handspiel, denn "schließlich sei es ja absichtlich erfolgt." Mitnichten jedoch fordert das Regelwerk für jedes absichtliche Handspiel eine Verwarnung. Lediglich unter gewissen Umständen muss ein Spieler auch persönlich für ein Handspiel bestraft werden. Demnach muss ein Spieler erst dann verwarnt werden, wenn er das absichtliche Handspiel auch unsportlich begeht. Dies ist immer dann der Fall, wenn durch das Handspiel verhindert wird, dass der Gegner in Ballbesitz kommt. Unsportlich und damit verwarnungswürdig ist ein Handspiel auch dann, wenn der Spieler durch ein absichtliches Handspiel versucht, ein Tor zu erzielen. Das wohl berühmteste Beispiel für ein solches Handspiel ist die berühmte »Hand Gottes«, die Argentiniens Diego Armando Maradona 1986 während der Weltmeisterschaft zu einem irregulären Tor gegen die Engländer verhalf. Dies ist nicht zu verwechseln mit versuchtem Handspiel, das nämlich übrigens überhaupt gar nicht strafbar ist.
Auch gibt es Handspiele, für die der Schiedsrichter sogar einen Feldverweis aussprechen muss, wie die rote Karte im Regeldeutsch heißt. Diese ist einem Spieler nämlich dann zu zeigen, wenn er durch ein absichtliches Handspiel ein klares Tor oder eine klare Torchance für den Gegner zunichte macht. Der Grund für den Feldverweis liegt hier nicht in dem Handspiel an sich, sondern in der Tatsache, dass durch eine unerlaubte Aktion ein Gegentor verhindert wurde. Daraus folgt, dass ein Spieler, der zwar absichtlich Hand spielt, aber nicht verhindern kann, dass der Ball doch noch ins Tor gelangt, nicht des Feldes verwiesen werden darf – er hat ja kein Tor verhindert, denn natürlich greift auch beim Handspiel die so genannte Vorteilsbestimmung.
Fazit: Beim Handspiel wird es immer wieder zu Situationen kommen, die man nicht einheitlich bewertet, weil viele Faktoren für oder gegen eine Absicht sprechen können. Die Grenzen sind hier teilweise schwer zu ziehen, und darum zum Abschluss ein einfacher aber sinnvoller Tipp an die Schiedsrichter: Lieber ein absichtliches Handspiel weniger bestrafen als ein unabsichtliches zu viel.“