Am 21. Oktober hatte die Mannschaft des DSC Hanseat im Gastspiel beim Lemsahler SV kurz vor dem eigentlichen Ende geschlossen den Platz verlassen, weil ein farbiger DSC-Spieler von einem LSV-Akteur als „Affe“ bezeichnet worden sein soll. Nun befasste sich das Sportgericht des Hamburger Fußball-Verbandes mit den Geschehnissen und wertete die Partie des zwölften Spieltages der Kreisliga 2 wegen schuldhaft verursachten Spielabbruchs vonseiten der Gäste mit einem 3:0-Sieg für die Lemsahler. Zudem wurde Deniz Topal, Kapitän der Dulsberger, für eine Begegnung gesperrt, obwohl Schiedsrichter Hasan Biyikli (VfL Hammonia) für ihn keinen Platzverweis im bei DFB-Net freigeschalteten Spielbericht vermerkt hatte.
Die DSC-Verantwortlichen kündigten an, vor das HFV-Verbandsgericht ziehen zu wollen, und veröffentlichten auf ihrer facebook-Seite folgende Stellungnahme:
„Der HFV auf dem Weg nach Ungarn: Wie man den Rassismus im Fußball bestimmt nicht bekämpft
Wie unter anderem die ‚Hamburger Morgenpost‘ berichtet, wurde der ehemalige HSV-Trainer Carlos Moniz vom ungarischen Fußballverband für 1 Monat gesperrt, weil er mit seiner Mannschaft das Spielfeld verließ und das Spiel vorzeitig beendete. Der Hintergrund: Farbige Spieler seiner Mannschaft wurden von außen mit Affenlauten rassistisch beleidigt. Eine skandalöse Entscheidung, angesichts der autoritären Politik des ungarischen Ministerpräsidenten Victor Orban und dessen Kontrolle auch über viele gesellschaftlichen Organisationen aber keine wirkliche Überraschung, dass in Ungarn nicht wirklich gegen rassistische Entgleisungen vorgegangen wird.
Aber bei uns im Hamburger Fußball-Verband ist eine solches Skandal-Urteil sicher unmöglich, oder? Schließlich beinhaltet die Rechts- und Verfahrensordnung des HFV einen eigenen Paragraphen zum Thema ‚Diskriminierung und ähnliche Tatbestände‘ (§ 34) mit ausdrücklichem Bezug zum Thema ‚Rassismus‘ – mit klaren Strafbewehrungen wie längere Sperren, Geldstrafen und Punktabzüge.
Dass eine solche Annahme im besten Fall naiv, in jedem Fall aber unbegründet ist, beweist bedauerlicherweise das Urteil des HFV-Sportgerichts im Hinblick auf den Abbruch des Spiels Lemsahler SV gegen DSC Hanseat am 21. Oktober. Die Mannschaft des DSC Hanseat hatte kurz vor Schluss das Spielfeld in Solidarität zu einem farbigen Mitspieler verlassen, der von einem Lemsahler Gegenspieler als Affe angesprochen wurde. Nach den Festlegungen in der HFV-Ordnung wäre hier eine Spielsperre von mindestens vier Spielen und zusätzlich eine Geldstrafe zu erwarten gewesen. Der ebenfalls mögliche Punktabzug zulasten des Lemsahler SV wäre möglich, aber angesichts der Spielsituation (3:2-Führung kurz vor Schluss) wohl unangemessen gewesen.
Das HFV-Sportgericht kam aber überraschenderweise zu einem völlig anderen Urteil: Für vier weiße Männer und eine weiße Frau war die Verwendung des A...-Wortes keinesfalls als rassistisch zu werten, sondern lediglich als Beleidigung. Eine – vorsichtig formuliert – recht ungewöhnliche Sichtweise. Entsprechend milde fiel das Verdikt gegen den Lemsahler Spieler aus.
In einem weiteren Teil des Urteils machten sich die HFV-Sportrichter dann ganz offenbar auf den Weg nach Ungarn: Der Spielführer des DSC Hanseat wurde – obwohl er lediglich den Schiedsrichter über die Entscheidung seines Teams, nicht weiterzuspielen, unterrichtete – ähnlich wie Carlos Moniz mit einer Sperre (hier von einem Spiel) belegt.
Rassismus gibt es im Hamburger Fußball wie in der ganzen Gesellschaft. Er wird aber nicht verschwinden, indem man rassistische Äußerungen und Ereignisse leugnet und in ‚handhabbarere‘ Erklärungen umdefiniert. Der Begriff wird heutzutage sicher zu oft und leichtfertig verwendet, hier ist er aber angebracht: Dieses ignorante Urteil des HFV-Sportgerichts ist so skandalös wie die ungarische Entscheidung.“