Zweite Bundesliga: Zoller und Zulj zähmen St. Pauli


Die Chance, erstmals seit dem Dezember 2018 wieder drei Zweitliga-Spiele in Folge zu gewinnen, konnte der FC St. Pauli nicht nutzen: Am Donnerstagabend gab es zum Abschluss der „Englischen Woche“ eine 2:3-Niederlage gegen den VfL Bochum. Dass der Drittletzte gegen den Tabellen-Zweiten spielte, war aber im Millerntor-Stadion nicht zu sehen: Die beiden Teams lieferten sich ein packendes Duell, in dem die Hamburger dem Aufstiegsanwärter zumindest im ersten Durchgang auf Augenhöhe begegneten und mit eiskalter Effizienz glänzten.

Die erste aufregende Szene gab es schon in der zweiten Minute, als Omar Marmoush aus dem Mittelfeld startend Armel Bella Kotchap enteilte, dann aber im Gäste-Strafraum einen Haken zu viel schlug und an Christian Esteban Gamboa Luna hängen blieb. Zwei weitere Zeigerumdrehungen später gingen die Hausherren dann tatsächlich in Führung: Eine Linksflanke von Leart Paqarada jagte Guido Burgstaller zunächst nur an die Latte, hatte dann aber das Glück des Tüchtigen, dass er den Abpraller zum 1:0 über die Linie drücken konnte. In der Folge entwickelte sich das besagte Duell mit offenem Visier und die Bochumer taten viel dafür, um zum schnellen Ausgleich zu kommen. Einen Schuss von VfL-Kapitän Anthony Losilla blockte die Heim-Elf jedoch ab (7. Minute) und als Herbert Bockhorn im St. Pauli-Strafraum zwischen Daniel Buballa sowie Paqarada zu Boden ging, entschied Schiedsrichter Harm Osmers (vom SV Baden) auf Weiterspielen (8.). Eine weitere Minute später fälschte St. Paulis Spielführer Philipp Ziereis eine Linksflanke von Gerrit Holtmann so ab, dass sie auf die Latte sprang.

Die erste Gelbe Karte gab es, als Marmoush einen Ball schön eroberte und dann vor der Bank der Hausherren von Gamboa Luna umgegrätscht wurde (10.). Es folgten weitere Angriffe der Westfalen: Einen Eckstoß von Robert Zulj verlängerte Simon Zoller vom ersten Pfosten zum zweiten, wo Maxim Leitsch den Ball in das Außennetz jagte (13.). Dann zog Zoller von halbrechts aus der Drehung ab, zielte aber knapp am kurzen Eck vorbei (19.). Die Hausherren machten ihre spielerischen Nachteile wett, indem sie um jeden Ball kämpften und grätschten. So kamen sie in der 26. Minute auch selbst wieder zu einer Offensivaktion, bei der Marmoush im Gäste-Strafraum möglicherweise unfair vom Ball getrennt wurde – der Kölner Keller schaltete sich jedoch nicht ein. Kurz darauf fiel der Ausgleich, als VfL-Keeper Manuel Riemann zum wiederholten Male das Spiel schnell machte und Zulj mit einem Steilpass Zoller fand. St. Paulis Torwart Dejan Stojanovic traf die Entscheidung, hinauszueilen und die Kugel zu klären, einen Tick zu spät, weshalb Zoller vor ihm an das Spielgerät kam, es links am Schlussmann vorbeilegte und zum 1:1 in das verwaiste Gehäuse vollendete (28.).

Davon unbeeindruckt schlugen die Kiez-Kicker gleich wieder den Weg nach vorne ein, doch Paqaradas scharfe Linksflanke klärten die Gäste (29.). Im Gegenzug ging Bockhorn im St. Pauli-Strafraum im Duell mit Rico Benatelli zu Boden, doch die Pfeife des aus Bremen angereisten Osmers blieb abermals stumm. Die Gäste waren drauf und dran, die Partie zu ihren Gunsten zu drehen, als Losilla nach einem Eckstoß am zweiten Pfosten zum Kopfball kam, der auf der eigenen Torlinie stehende Finn Ole Becker den Ball aber in höchster Not klären konnte (32.). Statt 1:2 stand es dann im direkten Gegenzug 2:1, weil Daniel Kofi Kyereh im Mittelfeld Tempo aufnahm und aus 25 Metern so abzog, dass sich der Ball in einer kuriosen Flugbahn über Riemann hinweg in das Netz senkte. Weniger Schussglück hatte kurz darauf Marmoush, den Kyereh nach dem nächsten Sprint rechts bediente: Er jagte den Ball über das kurze Eck (34.).

Allzu lange konnten sich die St. Paulianer aber auch über ihre zweite Führung nicht freuen. Nachdem Buballa verletzt behandelt und ein Losilla-Schuss von Rodrigo Zalazar, der so wie der Bochumer Kapitän das Trikot mit der Nummer acht trug, abgeblockt worden war (37.), zeigte Stojanovic in der 42. Minute noch sein Können, als er einen von halblinks kommenden Zulj-Schuss im kurzen Eck fing. Doch eine Zeigerumdrehung später kam Holtmann aus dem linken Halbfeld gegen Becker zu einer Flanke, bei der Ziereis urplötzlich seinen Kopf einzog, anstatt den Ball weg zu köpfen. Buballa tat es ihm gleich und nachdem somit zwei St. Pauli-Verteidiger auf diese kuriose Art und Weise „den Weg freigemacht“ hatten, sagte Zoller „Danke“ und nickte am langen Pfosten aus Nahdistanz ein. Stojanovic klebte in dieser Situation auf seiner Torlinie und hob nach dem „Einschlag“ fragend die Arme – darüber, ob er Ziereis vielleicht ein Kommando zugerufen hatte, dass er wegbleiben solle, kann nur spekuliert werden.

Der zweite Durchgang begann mit einem Kyereh-Fehlpass und einem Bochumer Konter, den Benatelli beendete, indem er gegen Holtmann zur Ecke klärte (47.). Auf der Gegenseite „brannte“ es, als Bella Kotchap eine Freistoßflanke von Zalazar, die er vermutlich knapp neben das eigene Tor lenken wollte, genau auf das Tor bugsierte – und Glück hatte, dass Riemann den Ball fing. Allerdings musste der VfL-Verteidiger in dieser Szene auch zum Ball gehen, da hinter ihm Burgstaller gestartet war (49.). Aber auch die Bochumer schnupperten am Führungstor: Als Robert Tesche, der von 2009 bis 2014 noch beim Hamburger SV unter Vertrag stand, kurz vor dem St. Pauli-Strafraum umgerissen worden war, zirkelte Zulj den Freistoß nur hauchdünn am rechten Eck vorbei (57.). Dass auf der Gegenseite Marmoush einen 17-Meter-Schuss voll verzog, musste nachträglich niemanden ärgern, da Osmers die Situation wegen einer angeblichen Abseitsstellung nachträglich ohnehin abpfiff (60.).

Dann kam die aus Sicht der Braun-Weißen verhängnisvolle 63. Minute: Einen ersten Zulj-Schuss blockte die Heim-Elf ab, doch die Gäste blieben in Ballbesitz. Erneut war es der starke Zulj, der nach einem Pass des kongenialen Zoller, nun von halblinks aus, abzog. Der Ball wirkte harmlos und wäre von Stojanovic vermutlich gefangen worden – doch Buballa fälschte ihn unhaltbar für seinen Keeper ab, so dass er zum 2:3 im Netz zappelte. Nun lag das Kellerkind erstmals zurück und es benötigte etwas Zeit, um damit zurechtzukommen. St. Paulis Trainer Timo Schultz reagierte mit mehreren Wechseln – allerdings brachte er Sturmtank Simon Makienok erst in der 83. Minute und Igor Matanovic gar nicht. Dass dafür Ziereis in der Schlussphase häufiger im Bochumer als im eigenen Strafraum zu finden war, blieb wirkungslos. Zalazars Freistoßflanke klärten die Gäste (70.), dann nickte Bella Kotchap eine Hereingabe vor dem einköpfbereiten Burgstaller aus der Gefahrenzone (80.) – viel mehr kam von den Hamburgern in der Schlussphase nicht mehr.

Auf der Gegenseite war ein Flachschuss von Tesche, der für den HSV in 63 Erstliga-Spielen immerhin viermal getroffen hatte, harmlos und sichere Beute für Stojanovic (73.). Dann schnupperte Zoller an der Entscheidung und seinem persönlichen Dreierpack, zielte aber knapp oben rechts vorbei (79.). Die Hamburger haderten mit Osmers, als der Referee einen Schlag gegen Kyereh ungeahndet ließ (86.). Nichts auszusetzen gab es an der dreiminütigen Nachspielzeit, in der der Ausgleich aber auch nicht mehr gelang. So bleibt festzuhalten, dass die Bochumer dank einer Leistungssteigerung im zweiten Durchgang nicht unverdient gewannen und bis auf einen Punkt an den HSV, der das Klassement nach dem am Dienstag erreichten 0:0-Unentschieden im Topspiel bei Fortuna Düsseldorf, weiterhin anführt, heranrückten. Die St. Paulianer rutschten auf den Relegationsrang 16 zurück, weil ihrer Defensive, die vier Tage zuvor beim 2:0-Sieg gegen den SSV Jahn 2000 Regensburg noch so sattelfest gewesen war (SportNord berichtete, siehe unten stehenden Link), nun von Zoller und Zulj der Zahn gezogen wurde.

(Johannes Speckner)

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